Loveparade: Nach der Tragödie:Die Treppe war die Todesfalle

Nach dem tragischen Unglück auf der Loveparade will die Staatsanwaltschaft Duisburg die genauen Umstände und die Schuldfrage durch Ermittlungen klären. Ein Polizeisprecher teilte mit, keiner der Toten sei im Tunnel ums Leben gekommen.

Der Organisator der Loveparade, Rainer Schaller, hat das Aus der Loveparade für die Zukunft verkündet. "Ich bin furchtbar bestürzt und in tiefer Trauer", sagte Schaller zu der Tragödie mit 19 Toten und 342 Verletzten. Den Opfern und Angehörigen sprach er sein aufrichtiges Mitgefühl aus. Die Veranstalter würden alles Erdenkliche unternehmen, um eine schnelle und lückenlose Aufklärung der Tragödie zu unterstützen.

Loveparade: Nach der Tragödie: Bei der Loveparade 2010 in Duisburg sind mindestens 19 Menschen gestorben. Die meisten davon sind offenbar von einer Metalltreppe gefallen.

Bei der Loveparade 2010 in Duisburg sind mindestens 19 Menschen gestorben. Die meisten davon sind offenbar von einer Metalltreppe gefallen.

(Foto: AP)

Wörtlich fügte Schaller hinzu: "Die Loveparade war immer eine friedliche Veranstaltung und fröhliche Party." Sie werde aber für immer von den tragischen Ereignissen in Duisburg überschattet sein und daher nicht mehr weiter fortgesetzt.

Weiter wollte sich Veranstalter Lopavent nicht dazu äußern, wie der Zugang durch den Tunnel zum Festgelände vor Beginn der Loveparade mit Blick auf die Sicherheit der Besucher bewertet worden war. Der Sprecher der Veranstalter, Björn Köllen, verwies auf die Staatsanwaltschaft.

Die gemeinsame Pressekonferenz geriet zu einer Demonstration der Hilflosigkeit. Eigentlich sollte sie Antworten auf Fragen klären wie: Wer hat das genehmigt? Wer ist verantwortlich? Doch Veranstalter, Polizei, Stadt und Staatsanwaltschaft lavierten herum und verwiesen aufeinander, während die Fragen und Anschuldigungen der Presse zunehmend aggressiver wurden.

Nach der tödlichen Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Das sagte der stellvertretende Duisburger Polizeipräsident Detlef von Schmeling. Zwei Strafanzeigen gingen bisher ein.

Inzwischen war die Staatsanwaltschaft auch im Rathaus und hat das Sicherheitskonzept sowie alle weiteren Unterlagen zur Loveparade beschlagnahmt. Über den Behörden und ihren Mitarbeitern hängt nun das Damoklesschwert des Strafverfahrens.

Die meisten Toten seien auf der westlichen Seite der Zugangsrampe gefunden worden. 16 Opfer seien bislang identifiziert, die Angehörigen informiert. Unter den Opfern befanden sich demnach auch ein Niederländer, ein Australier, ein Italiener und ein Chinese.

Von den getöteteten Besuchern sei jedoch keiner im Tunnel zum Festgelände ums Leben gekommen, sagte ein Polizeisprecher auf der Pressekonferenz. 14 seien von einer Metalltreppe an der westlichen Seite des Zugangs gestürzt, zwei seien an einer Plakatwand am Aufgang zum Gelände ums Leben gekommen. Die anderen verstarben im Krankenhaus.

Die Toten waren etwa zwischen 20 und 40 Jahre alt, sagte der stellvertretende Duisburger Polizeipräsident Detlef von Schmeling. Noch sei unklar, wieviele Besucher insgesamt bei der Loveparade waren, die Zahl von 1,4 Millionen könne er zunächst nicht bestätigen. Als einzige Zahl nannte er 105.000 Menschen, die in der Zeit von 9 bis 14 Uhr per Bahn nach Duisburg kamen. Der Leiter des Duisburger Krisenstabs, Wolfgang Rabe, sagte, der Veranstaltungsplatz auf dem alten Güterbahnhof könne grundsätzlich gut bis zu 300.000 Menschen aufnehmen. Er sei zum Zeitpunkt der Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen. Diverse Medien hatten von 250.000 Menschen berichtet.

"Kein geeigneter Ort für die Loveparade"

Was dazu geführt hat, dass es zum Stau an der Rampe gekommen ist, sei Teil des Ermittlungsverfahrens und daher nicht Gegenstand dieser Pressekonferenz, stellte Polizeipräsident von Schmeling klar. Die Polizei habe vor dem Unglück eine zweite Zugangsrampe geöffnet, damit der Druck auf den ersten Zugang nachlassen könne. Die Polizei sei mit mehr als 4000 Kräften bei der Veranstaltung im Einsatz gewesen

Teil des Sicherheitskonzeptes sei gewesen, den Zugang zum Tunnel zu regulieren, sagte von Schmeling. Das sei den ganzen Tag über durch die Polizei erfolgt. Der Zugang zum Gelände sei zu keinem Zeitpunkt gesperrt gewesen. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens hat es nach Informationen von Schmeling durchaus noch Bewegungsmöglichkeiten auf der Rampe gegeben. "Es liegen keine Erkenntnisse vor, nach denen es einen so großen Druck auf den Tunnel gegeben hat, dass es zu diesem Unglück kommen musste", sagte er.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hingegen sieht die Schuld für die Katastrophe eindeutig bei Stadt und Veranstaltern. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der Bild-Zeitung: "Letztlich sind Stadt und Veranstalter für die Tragödie verantwortlich." Wendt führte weiter aus, er habe schon vor einem Jahr gewarnt, Duisburg sei kein geeigneter Ort für die Loveparade. "Die Stadt ist zu klein und eng für derartige Veranstaltungen."

Der Polizeigewerkschafter sieht das Problem nicht beim Festival-Gelände selbst, sondern bei den Wegen dorthin. Eine Schuld der Polizei sieht Wendt nicht. Dass das Veranstaltungsgelände viel zu klein für den erwarteten Besucherandrang gewesen sei, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Wolfgang Orscheschek. Die Stadt sei bei der Planung der Loveparade von Veranstalterseite derart in die Enge getrieben worden, dass sie trotz "eindringlicher Warnungen aus dem Sicherheitsbereich" nur habe "Ja" sagen können.

Informationen von Spiegel Online zufolge haben Polizei und Feuerwehr im Vorfeld die Sicherheitsvorkehrungen massiv kritisiert und ein alternatives Konzept präsentiert. Das hätte jedoch mehr Personal erfordert und sei von der Stadt verworfen worden, berichtet die Website.

Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hatte sich am Sonntag erschüttert gezeigt. "Die Trauer vermag ich nicht in Worte zu kleiden, dieses Unglück ist so entsetzlich, dass man es nicht in Worte fassen kann." Bei der turbulenten Pressekonferenz warnte er vor voreiligen Schuldzuweisungen. Die Staatsanwaltschaft müsse ermitteln, den Behörden seien Akten dazu bereits übergeben worden.

Krisenstabsleiter Rabe erklärte, er habe am Sonntagmorgen seine Unterlagen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Vor der Presse wollte er wegen der bereits begonnenen Ermittlungen ebenfalls keine weitere Aussagen machen. Auch Sauerland selbst bat um Verständnis darum, dass er selbst nichts weiter zum Ablauf der Katastrophe sagen werde. Er stehe den ermittelnden Behörden voll zur Verfügung.

Sauerland bedankte sich bei allen, die bei der Rettung und Hilfe am Samstagabend an ihre Grenzen gegangen seien.

Vertreter von Bundes- und Landesregierung informierten sich am Sonntagnachmittag im Duisburger Polizei-Präsidium über die Hintergründe des Unglücks. NRW- Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (beide CDU) verließen das Präsidium jedoch, ohne Stellungnahmen abzugeben. Die Politiker fuhren den Angaben zufolge anschließend in die Klinik, um verletzte Überlebende zu besuchen und den medizinischen Betreuern zu danken.

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