Nach den Übergriffen von Silvester:So wollen Städte an Karneval Frauen schützen

Rosenmontag Düsseldorf

Polizisten neben Karnevalisten, das gab es schon immer - dokumentiert auf diesem Bild vom Rosenmontag 2015 in Düsseldorf. Aber in diesem Jahr wird man sie anders betrachten.

(Foto: dpa)

Die Nervosität in NRW steigt. Wo sonst Vorfreude herrscht, dominieren nun Sorgen um die Sicherheit.

Von Kristiana Ludwig, Köln

Drei Tage sind es noch, dann beginnt der Karneval. Wenn sich an Weiberfastnacht die Jecken durch die Straßen Kölns und anderer Faschingshochburgen schieben, wird die Silvesternacht mehr als einen Monat zurückliegen - und trotzdem allgegenwärtig sein. Seitdem an jenem Abend wohl vor allem nordafrikanische Männergruppen Frauen sexuell genötigt und auch Männer bestohlen haben, ist die Stimmung in der Stadt eine andere geworden. Köln diskutiert über Sicherheit und Menschenmassen. An diesem Montag stellt Oberbürgermeisterin Henriette Reker gemeinsam mit Polizei und Feuerwehr ihr Sicherheitskonzept für den Karneval vor.

Man will eine Anlaufstelle für Frauen einrichten und dunkle Plätze ausleuchten, so viel ist heute schon klar. In vielen Städten Nordrhein-Westfalens werden deutlich mehr Polizisten im Einsatz sein. Rund 2400 Polizeistudenten sollen die Umzüge zusätzlich begleiten. Die Kölner Polizei bereitet sich auf den Einsatz vor wie auf eine Demonstration oder ein Fußballspiel, nicht wie auf ein Volksfest - mit Zwölf-Stunden-Schichten und einer "geringen Einschreitschwelle" der Beamten, sagt ein Polizeisprecher.

Mönchengladbach hat einen Flyer gedruckt: Umarmen, Schunkeln und Bützen "ist in der Regel nicht sexuell gemeint", steht da auf Englisch, Französisch und Türkisch. Um ganz sicherzugehen, hat Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine "Information" an fünf Bezirksregierungen geschickt: Sie sollen die Bewohner der "Flüchtlingsunterkünfte mit den Brauchtümern und Abläufen an den Karnevalstagen vertraut" machen, steht darin. Außerdem sei gewünscht, sie "ausdrücklich" auf das bundesweite Reiseverbot hinzuweisen, das sie in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft in Deutschland haben.

Viele Männer meiden angeblich zurzeit den Bahnhof

Zuwanderer stehen seit Silvester im Fokus der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden. Das ist etwa an Samstagabenden im Kölner Hauptbahnhof zu beobachten. Neben einem Kiosk haben vier schwarz uniformierte Polizisten zwei schwarze junge Männer angehalten, die nach ihren Ausweisen kramen. Ein paar Meter weiter, auf dem Weg zur U-Bahn, zeigen auch ältere Herren mit dunklem Teint einer Gruppe Polizisten ihre Papiere. "Schwerpunkteinsatz" nennt das die Bundespolizei. "Nicht das äußere Erscheinungsbild", sagt ein Sprecher, sei ausschlaggebend für Kontrollen. Vielmehr folgten Polizisten einer bestimmten Klientel. 76 Prozent der Taschendiebe, die die Bundespolizei seit Herbst 2014 in Nordrhein-Westfalen registriert habe, seien Nordafrikaner, sagt er. So ergebe sich ein Bild.

Der Sprecher des Kölner Forums gegen Rassismus und Diskriminierung, Claus-Ulrich Prölß, sagt allerdings, dass sich die Kontrollen von Migranten generell im Januar verstärkt hätten. Viele Männer mieden zurzeit den Bahnhof und die Innenstadt - wegen der Polizei, aber auch wegen der Angst vor rechtsextremen Schlägern. "Es herrscht Verunsicherung und Verängstigung", sagt Prölß. Zugleich könne er das Verhalten der Polizei nachvollziehen. Die Täter der Silvesternacht sind noch längst nicht gefunden. Die Sicherheitsbehörden hätten eine "Bringschuld", sagt er.

Sogar "Super Recognizer" aus London sind im Einsatz

Tatsächlich hat die Kölner Staatsanwaltschaft bisher gerade einmal vier Personen ausfindig gemacht, die im Verdacht stehen, sich an den sexuellen Übergriffen beteiligt zu haben. Einer von ihnen, ein 26-jähriger Algerier aus einer Asylbewerberunterkunft in Kerpen, sitzt im Gefängnis. Insgesamt bringen die Ermittler 44 Beschuldigte mit den Taten der Nacht in Verbindung, etwa wegen Raubes oder Hehlerei. Überwiegend stammen sie aus Marokko und Algerien, neun von ihnen sind in Haft. Noch immer sichten Ermittler die 355 Stunden Videomaterial aus Überwachungskameras und private Aufnahmen. Zehn Tage lang unterstützten sie dabei sogar zwei Londoner Polizisten: sogenannte Super Recognizer mit besonderen Fähigkeiten, Menschen wiederzuerkennen.

Die Kölner Polizeibeamten reagieren mit einem "Präsenzkonzept". Dazu gehörten Razzien, sagt ein Sprecher. In der Nacht auf Donnerstag kontrollierten Polizisten etwa 300 Personen in der Innenstadt, nahmen mehrere Menschen fest, stellten drei gestohlene Mobiltelefone und bei drei Männern Drogen sicher. In einem Wettbüro kontrollierten die Beamten 71 Männer "überwiegend aus (Nord-)Afrika", heißt es in einer Mitteilung. Auch hier habe man Drogen gefunden.

In der vergangenen Woche hatte die Polizei bereits zwei Mal Lokale im Stadtteil Kalk durchsucht, "Rückzugsräume" von "vornehmlich nordafrikanischen" Dieben, wie es hieß. In Düsseldorf-Oberbilk gab es zuvor ähnliche Durchsuchungen. Auch Flüchtlingsheime in Ahlen, Dortmund und Recklinghausen durchstreiften Polizisten auf der Suche nach Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, und stellten mehr als 70 Strafanzeigen, zu einem kleinen Teil auch wegen Diebstahls. Solche Razzien stehen nach Angaben der Staatsanwaltschaft jedoch nicht in Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Silvesternacht.

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