Nach dem Erdbeben in Neuseeland:Helfer, die nicht helfen können

Hoffnung und Verzweiflung in Christchurch: Immer wieder finden Retter Überlebende, doch an vielen Stellen muss die Suche abgebrochen werden, weil Trümmer einstürzen könnten. Die Zahl der Todesopfer erhöht sich auf 75, weiterhin werden Hunderte Menschen vermisst.

Zeichen der Hoffnung und Zeichen der Hilfslosigkeit kommen nach dem schweren Erdbeben aus Neuseeland. Immer wieder gibt es Nachrichten, die Helfer und Angehörige von Verschütteten motivieren, optimistisch zu bleiben und weiter zu suchen.

Am Mittwochmorgen etwa bejubelten Helfer und Angehörige die Rettung einer Frau in Christchurch, die mehr als 22 Stunden unter den Trümmern eines Bürogebäudes eingeschlossen war. Alles deutete zunächst darauf hin, dass es sich um die Australierin Anne Voss handelt, die sich am Dienstag per Handy bei ihrer Familie und einem Fernsehsender gemeldet hatte.

Sie hatte dem Fernsehpublikum in dramatischen Sätzen berichtet, dass sie eingeklemmt unter einem Schreibtisch liege. "Ich habe meine Kinder angerufen, um mich von ihnen zu verabschieden", sagte Voss dem Fernsehsender. "Ich spüre, dass ich blute, der Boden ist schon ganz nass", erzählte Voss dann. "Ich denke, das ist Blut, aber ich werde nicht aufgeben." Als dann die Bergung einer Frau namens Anne aus dem Gebäude vermeldet wurde, atmeten die Angehörigen von Voss auf.

Doch kurz darauf schlug die Freude von Voss' Familie in Verzweiflung um. Die Frau, die im schwerbeschädigten Pyne-Gould-Guinness-Gebäude unter einem Schreibtisch gefunden wurde, hieß in Wirklichkeit Anne Bodkin, sie hatte sich mit einem Hechtsprung unter den Tisch gerettet. Von Anne Voss fehlt hingegen jede Spur, in der Nacht ging die Batterie ihres Handys aus.

An anderen Orten können die Rettungskräfte nichts tun, mussten die Suche nach Überlebenden wegen Einsturzgefahr der beschädigten Gebäude abbrechen. Allein im Canterbury-Television-Gebäude wurden 50 Menschen vermutet, die nach Einschätzung der Polizei das Beben aber ohnehin nicht überlebt haben dürften. "Wir glauben, dass es dort keine Überlebenschance gab", sagte Einsatzleiter David Lowry.

Die teils ausgebrannte Ruine des Caterbury-Television-Gebäudes drohe einzustürzen und es sei zu gefährlich für die Helfer, dort weiter zu suchen, sagte Lowry. Frühere Berichte, wonach mindestens 15 Menschen in dem Gebäude überlebt hatten, erwiesen sich als falsch. Die Helfer hätten seit Stunden keinerlei Lebenszeichen aus den Trümmern gehört, sagte Lowry. In dem Gebäude werden auch elf japanische Studenten vermutet.

Ausgangssperre in Christchurch

Die Zahl der Toten hat sich derweil erhöht: Insgesamt waren bis Mittwoch 75 Leichen geborgen worden. Bis zu 300 Menschen werden noch vermisst. Das Beben war am Dienstagmittag passiert, als in der Innenstadt von Christchurch mit 390.000 Einwohnern Hochbetrieb herrschte. Christchurch wurde immer wieder von deutlich spürbaren Nachbeben erschüttert.

Gut 120 Menschen waren in den Stunden nach dem Beben aus den Trümmern befreit worden. Die Stadtverwaltung richtete an einem Militärstützpunkt eine Leichenhalle ein. 55 Todesopfer seien identifiziert worden, sagte Bürgermeister Bob Parker. Er hoffe, dass viele der zunächst als vermisst Gemeldeten im Laufe des Tages auftauchen.

Regierungschef John Key sprach von "Tod und Zerstörung in fürchterlichem Ausmaß". Er hatte das Erdbebengebiet am Dienstag besucht. "Familien haben ihre Angehörigen verloren, Freunde ihre Freunde. Dieser Verlust ist das Schlimmste", sagte Regierungschef Key. "Gebäude sind nur Gebäude, Straßen nur Straßen, aber die Menschen sind unersetzlich."

Die Regierung rief den nationalen Notstand aus. Damit erhält das Amt für Zivilverteidigung weitreichende Befugnisse, um die Rettungsaktion mit Kräften aus dem ganzen Land zu koordinieren. Weil noch einige Gebäude vom Einsturz bedroht sind und wohl, um Plünderungen zu vermeiden, wurde am Mittwoch eine nächtliche Ausgangssperre angekündigt. Wer sich nach 18.30 Uhr Ortszeit noch in dem abgesperrten Gebiet in der Innenstadt auf der Straße aufhalte, werde festgenommen, so die Polizei. Wie lange die Ausgangssperre gelten soll, wurde zunächst nicht mitgeteilt.

Am Mittwoch waren mehr als 200 Retter im Einsatz, um nach Verschütteten zu suchen. 500 weitere waren auf dem Weg nach Christchurch, unter anderem auch aus Australien. Auch die USA haben nun Helfer entsandt, Präsident Barack Obama zeigte sich bestürzt. "Unsere Gedanken und Gebete gelten all jenen, deren Leben von dieser Tragödie berührt wurden", teilte Obama mit. Washington stehe bereit, wann immer noch weitere Hilfe gebraucht werde, erklärte der Präsident.

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