Nach dem Beben in der Türkei:Gefängnismauer eingestürzt - 200 Häftlinge entkommen

Bei eisigen Temperaturen und ohne ausreichende Stromversorgung haben Helfer die ganze Nacht über nach Überlebenden der verheerende Erdstöße im Osten der Türkei gesucht. Dutzende Gefangene einer Haftanstalt flüchteten nach dem Beben - einige allerdings nur, um sich zu vergewissern, dass ihren Angehörigen nichts passiert ist.

Bis zu 1000 Menschen, so die Befürchtung, sind bei bei dem verheerenden Erdbeben im Osten der Türkei umgekommen. Die Menschen in der Provinz Van bangen um das Leben ihrer Angehörigen - so auch Dutzende Häftlinge eines örtlichen Gefängnisses: Eine Mauer der Haftanstalt stürzte nach Berichten türkischer Medien bei den schweren Erdstößen der Stärke 7,2 am Sonntagmittag ein, 200 Gefangenen gelang die Flucht. 50 kehrten demzufolge jedoch freiwillig zurück, nachdem sie sich versichert hatten, dass es ihren Familien gutgehe.

People sit on a pile of debris after an earthquake in Ercis, near the eastern Turkish city of Van

Auf einem Trümmerberg haben Helfer ein Feuer entzündet. Nachts werden in der türkischen Katastrophenregion Van nur noch Temperaturen um den Gefrierpunkt erreicht: eine Gefahr für die durch das Beben obdachlos gewordenen Menschen - und die Verschütteten.

(Foto: Reuters)

Die ganze Nacht hindurch waren Helfer mit von Generatoren angetriebenen Scheinwerfern im Einsatz, um in den Trümmern nach Überlebenden zu suchen. Bislang wurden mehr als 200 Tote geborgen, mindestens 1000 weitere Menschen wurden verletzt. In Ercis, der am stärksten betroffenen Stadt, sind Dutzende, teilweise mehrstöckige Häuser eingestürzt. Die Stromversorgung in der Provinz Van ist weitgehend zusammengebrochen.

Die ohnehin dramatische Lage wird durch das Wetter verschärft: Nachts werden nur noch Temperaturen um den Gefrierpunkt erreicht. Mit jeder Stunde, die vergeht, sinkt die Überlebenschance der Verschütteten - die Regierung hat die Such- und Rettungsmaßnahmen deshalb verstärkt.

Mehr als 1200 Helfer wurden in die Krisenregion an der Grenze zu Iran geschickt. Auch Einheiten der Armee sind im Einsatz. Hubschrauber und Flugzeuge brachten Zelte, Lebensmittel und Medikamente in die Unglücksregion. In Ercis seien zwei provisorische Krankenhäuser aus Zelten errichtet worden, berichteten türkische Medien.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der noch am Sontagabend persönlich in das Katastrophengebiet reiste, sagte den Menschen, die durch das Beben ihr Dach über dem Kopf verloren haben, Hilfe zu: "Wir werden keinen Bürger in der Kälte lassen", versprach der Regierungschef. Trotz der gefährlich niedrigen Temperaturen verbrachten viele Bewohner die Nacht aus Angst vor Nachbeben im Freien.

In der Türkei sind Erdbeben keine Seltenheit, da das Land auf mehreren Verwerfungslinien liegt. 1999 kamen bei zwei starken Beben im dichtbesiedelten Nordwesten des Landes mehr als 17.000 Menschen ums Leben. In Van starben 1976 bei einem Beben 3840 Menschen.

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