Süddeutsche Zeitung

Nach Busunglück in Sachsen-Anhalt:Bewährung für Lkw-Fahrer

Unter Tränen gestand er seine Schuld, Mut sprachen ihm die Angehörigen der Opfer zu: Zwei Jahre nach einem Busunglück mit 13 Toten ist der Unfallverursacher zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Der Verursacher eines Busunfalls mit 13 Toten in Sachsen-Anhalt ist zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Magdeburg ging damit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Diese hatte eine Geldstrafe von 2400 Euro gefordert.

Der 48-jährige Lastwagenfahrer Hermann R. aus Niedersachsen hat sich dem Urteil zufolge der fahrlässiger Tötung und Körperverletzung schuldig gemacht. Er war am 18. Juni 2007 auf der A 14 ohne zu bremsen mit Tempo 76 auf einen Reisebus aufgefahren, der wegen eines Staus langsam fuhr.

Der Reisebus kippte über die Leitplanke, rutschte die acht Meter tiefe Böschung hinunter und blieb auf dem Dach liegen. Sieben Männer und sechs Frauen aus der Senioren-Reisegruppe aus Hopsten in Nordrhein-Westfalen starben, 22 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Unfall war eines der schwersten Busunglücke in Deutschland.

Sichtlich bewegt und unter Tränen gestand der Angeklagte seine Schuld. Er war in einer Kolonne mit Arbeitskollegen auf der Autobahn in Richtung Dresden unterwegs. Den Bus habe er vor dem Unfall schon einmal etwa einen Kilometer entfernt wahrgenommen. Dann habe er im Rückspiegel "wohl zu lange" nach seinen Kollegen Ausschau gehalten, sagte der Lkw-Fahrer aus Ostfriesland.

Beim Blick nach vorn sei der Bus plötzlich "wie eine Mauer" vor ihm aufgetaucht. Sein Brems- und Ausweichmanöver nach der Schrecksekunde konnte den Aufprall nicht verhindern. "Dann habe ich nur noch Schreie gehört und kam irgendwann zum Stehen und sah den Bus wegkippen, dann war er von der Bildfläche verschwunden", sagte er.

Der Angeklagte war nach dem Unfall monatelang in psychologischer Behandlung. Gutachten hatten ergeben, dass der Bus und Lkw keine technischen Mängel aufwiesen. Dennoch stand lange nicht fest, ob es überhaupt zum Prozess kommt. Im April 2008 wurde er wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Angeklagten zunächst vertagt, im Juni 2008 vorläufig eingestellt.

"Diese Schuld wird Ihnen niemand abnehmen"

Die Staatsanwältin Manuela Naujock sagte nun, eine Geldstrafe sei der Tat und der Schuld angemessen. Weder Geld noch Haft könnten den Tod von Menschen aufwiegen. Für den Angeklagten spreche, dass er sich umfassend geständig zeige, nicht bewusst fahrlässig gehandelt habe und nach lebensbedrohlicher Erkrankung selbst eine Fortsetzung des Verfahrens gewünscht hatte.

"Diese Schuld wird Ihnen niemand abnehmen, sie wird Sie ein Leben lang begleiten", sagte sie zum Angeklagten. Auch habe er zum Jahrestag die Gemeinde besucht, aus der die Businsassen stammten. Von tiefer Ehrfurcht vor der Großmütigkeit der Familien der Opfer sprach Verteidiger Erich Joester.

Zu dem Prozess waren 13 Nebenkläger zugelassen. Ihr Vertreter sagte, dass es nicht um Rache gehe. Die Angehörigen hätten in ihrem Heimatort sehr viel Beistand erhalten, sagte Rechtsanwalt Friedrich-Karl Schramm. Es blieben aber lebenslange Narben. In einer Verhandlungspause im Gerichtssaal hatten Angehörige dem Beschuldigten Mut zugesprochen und ihm versichert: "Wir machen Ihnen keine Vorwürfe."

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