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Mutter von Reeva Steenkamp:"Sie hatte sich entschieden, Oscar in dieser Nacht zu verlassen"

Lesezeit: 2 min

Reeva Steenkamp wollte sich von ihrem Freund Oscar Pistorius trennen - deshalb soll er sie erschossen haben: Die Mutter der Getöteten erhebt in ihrem Buch schwere Vorwürfe. Doch wie steht es um den Gehalt dieser Aussagen?

Von Felicitas Kock

"Sie hatte ihre Klamotten zusammengepackt. Unserer Ansicht nach besteht kein Zweifel: Sie hatte sich entschieden, Oscar in dieser Nacht zu verlassen." Es sind Sätze wie diese, mit denen Reeva Steenkamps Mutter Oscar Pistorius schwer belastet. Seit einer knappen Woche sitzt der 27-jährige Profisportler im Gefängnis. Wegen Totschlags ist er zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Wie lange er wirklich im Gefängnis Kgosi Mampuru II in Pretoria bleiben muss und wann er in den Hausarrest darf, ist noch unklar. Zumal die Staatsanwaltschaft Urteil und Strafmaß nun anfechten will.

Dass sie das Strafmaß für zu gering hält, hat June Steenkamp gleich nach dem Ende des Prozesses betont. Nun verschärft sie ihre Vorwürfe. Die 68-Jährige hat jeden Prozesstag im Gerichtssaal verfolgt, hat dort Bilder ihrer tödlich getroffenen Tochter gesehen, hat den Mann beobachtet, der behauptet hat, seine Freundin aus Versehen erschossen zu haben, weil er sie für einen Einbrecher hielt. Sie hat keine Regung gezeigt. In einem Interview mit dem Guardian sagte sie im April dieses Jahres, sie könne nicht aufhören, Pistorius im Gericht anzustarren. Sie sei nicht sicher, ob er den gebrochenen Mann nur spiele oder nicht. Sie kenne ihn nicht - sie wisse nur, was er getan habe.

Jetzt bringt June Steenkamp ihre Gedanken zum Tod ihrer Tochter als Buch heraus. "Reeva: a mother's story" erscheint am 6. November 2014. Darin beschreibt sie Pistorius als "arrogant", "launisch", "besitzergreifend" und "hinterlistig". Ihre Tochter habe Pech gehabt, den an den Unterschenkeln amputierten Ausnahmesportler zu treffen, "denn früher oder später hätte er jemanden umgebracht". Reeva habe keinen Sex mit Pistorius gehabt, weil sie wusste, dass die Beziehung sie nicht glücklich machte, heißt es weiter in den Auszügen, aus denen die britische Zeitung The Times in ihrer Wochenendbeilage zitiert hat.

Keine Beweise für drohendes Beziehungsende

Der Gehalt dieser Textpassagen ist zweifelhaft. Dass Reeva Steenkamp ihren Freund am Valentinstag 2013 verlassen wollte, ist im Prozess gegen Pistorius nicht festgestellt worden. Staatsanwalt Gerrie Nel hatte zahlreiche Indizien vorgebracht, die zeigen sollten, dass die Beziehung des Paares unglücklich war: Er zitierte Berichte über Streitereien und Protokolle böser SMS-Nachrichten. Nel wollte Richterin Thokozile Masipa damit von seiner Version der Tatnacht überzeugen: Dass es zum Streit gekommen war zwischen Steenkamp und Pistorius. Und dass er sie schließlich aus Wut erschoss.

Wäre zu beweisen, dass Reeva Steenkamp sich von Pistorius trennen wollte - Staatsanwalt Nel hätte es getan. Das dürfte jedem klar sein, der den Prozess verfolgt hat. Doch Nel fand keine Beweise, die ausreichten, Richterin Masipa zu überzeugen. Sie schloss sämtliche SMS und Telefonprotokolle, sämtliche Berichte, die mit der Beziehung des Paares zu tun hatten, als Beweismaterial aus. Ihre Begründung: In Beziehungen gebe es nun mal gute und schlechte Zeiten. Aus ein paar SMS zu schlussfolgern, dass Pistorius seine Freundin absichtlich umbrachte, sei unmöglich. Eine Einschätzung, an der auch ein Berufungsverfahren nichts ändern dürfte.

Wenn June Steenkamp nun schwere Anschuldigungen gegen Oscar Pistorius erhebt, dann ist das durchaus verständlich. Da spricht eine verletzte Mutter, die ihr Kind durch eine schreckliche Gewalttat verloren hat. Die sicher traumatisiert ist von ihrem Verlust und dem kräftezehrenden Prozess. Und es spricht eine Frau, deren Familie erhebliche finanzielle Probleme hat. Als sie noch lebte, unterstützte Reeva ihre Eltern finanziell. Auch Oscar Pistorius gab den Steenkamps Geld - Geld, das sie ihm nun zurückzahlen wollen.

Mit den Einnahmen aus den Buchverkäufen wollen die Steenkamps ihre finanziellen Probleme lindern, heißt es. Außerdem planen sie eine Stiftung für sexuell missbrauchte Frauen in Südafrika.

Und irgendwann, sagen die Steenkamps, wollen sie auch Oscar Pistorius treffen. Sie erwarten, dass er sich ernsthaft und ehrlich bei ihnen entschuldigt. Auch wenn das ihren Schmerz nicht lindern werde.

Mit Material der AFP.

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