Mutter in Berlin:Angeklagt wegen versuchten Babymords

Die Anklageschrift liest sich wie ein Horrorszenario: Eine 30-Jährige soll ihrem Baby Spritzen mit ihren eigenen Fäkalien verabreicht haben.

Prozessauftakt in Berlin: Eine 30-Jährige steht vor Gericht, weil sie ihrem Baby 14 Spritzen mit ihren eigenen Fäkalien verabreicht haben soll, um es zu töten. Die Angeklagte hat zum Auftakt des Prozesses vor dem Berliner Landgericht die Aussage verweigert. Die Staatsanwaltschaft wirft der zierlichen Frau versuchten Mord aus Heimtücke, Grausamkeit und niederen Beweggründen vor.

Das in seiner Entwicklung gestörte Kind lag mit einer Virusinfektion in einer Klinik. Die Mutter durfte sich rund um die Uhr in seinem Zimmer aufhalten. Zwischen Oktober und November 2007 soll die gebürtige Brandenburgerin heimlich die Flüssigkeit mit Einwegspritzen in die Blutbahn des Babys geleitet haben. Schließlich - so die Anklage - hatte eine Krankenschwester in der Tasche der Frau eine Spritze gefunden.

Die Ärzte schöpften Verdacht und schalteten die Polizei ein. Der 19 Monate alte Sohn Carlos, der lebensbedrohliche Blutvergiftungen mit hohem Fieber erlitten hatte, musste zweimal auf der Intensivstation behandelt werden. Er kam nach seiner Entlassung in eine Pflegefamilie. Jetzt lebt der Junge bei seinem Vater.

Die Angeklagte soll am "Münchhausen-Stellvertretersyndrom" leiden, einer seltenen psychischen Krankheit. Im Sinn dieser Störung wollte die Frau mehr Aufmerksamkeit von ihrer Umwelt erreichen. Vor diesem Hintergrund habe sie den Tod ihres Kindes oder schwere gesundheitliche Schädigungen in Kauf genommen, heißt es in der Anklage.

Der Vater des inzwischen dreijährigen Jungen hat am ersten Prozesstag ebenfalls geschwiegen. Der 40-jährige Frührentner, dem im Februar das alleinige Sorgerecht zugesprochen wurde, will später im Beistand seiner Anwältin aussagen. Der Zeuge will verhindern, dass die Ärzte aus dem Krankenhaus aussagen. Die Strafkammer hat inzwischen einen Beschluss vom Familiengericht erwirkt, wonach die Schweigepflicht der Mediziner aufgehoben werden soll. Das Jugendamt muss entscheiden.

Die Kindsmutter wurde im Mai 2008 verhaftet. Im Juli kam sie unter Meldeauflagen auf freien Fuß. Auch in früheren Vernehmungen hatte sie geschwiegen. Eine Infektion des Babys im Krankenhaus "ist nach Aktenlage sicher ausgeschlossen", erklärte der Staatsanwalt am Rande des Prozesses.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: