Mutmaßlicher U-Bahn-Treter:Der Mann, nach dem ganz Berlin suchte

Dass eine junge Frau brutal eine U-Bahn-Treppe hinabgetreten wurde, sorgte weltweit für Aufsehen. Nun ist der Verdächtige gefasst - die Diskussion über die Tat dauert an.

Von Verena Mayer, Berlin

Am U-Bahnhof Hermannstraße in Berlin-Neukölln sollte eigentlich alles schöner werden. Vor zwei Jahren wurde hier renoviert, die unübersichtlichen Ecken verschwanden. An die Wände kamen freundlich-grüne Kacheln, an die Säulen Bilder von exotischen Tieren, ein Jaguar, ein Elefant, ein Orang-Utan. "Großstadt-Dschungel" lautete das Motto der Berliner Verkehrsbetriebe für die Umgestaltung.

An einem Donnerstag im Oktober wurde dieses Motto auf tragische Weise Realität. Um 0.20 Uhr trat ein Mann einer Frau mit dem Fuß in den Rücken, die vor ihm eine Treppe zur U-Bahn hinablief. Die Frau stürzte mit dem Kopf voran über die Steinstufen und blieb zusammengekrümmt liegen, während der Mann an seiner Zigarette zog und wegging. Auch seine drei Begleiter schlenderten einfach weiter. So, als sei das ein vollkommen normales Verhalten in der Großstadt. Nur einer aus der Gruppe blieb stehen. Aber nicht, um zu helfen. Sondern, um eine Bierflasche aufzuheben.

Seit die Berliner Polizei vor zehn Tagen ein Video aus der Überwachungskamera veröffentlicht hat, ist der Bahnhof Hermannstraße international zum Symbol für rohe Gewalt in der Großstadt geworden. Wie man in einer Alltagssituation zum Opfer einer Attacke werden kann, von einer Sekunde auf die andere, einfach so. Die Passantin kannte den Mann nicht, es gab auf der Treppe oder auf dem Weg dorthin keinerlei Kontakt zwischen den beiden. Die 26-jährige Berlinerin, die aus der Ukraine stammt, brach sich den Arm.

Seit dem Wochenende ist der Mann nun in Haft. Er ist 27 und saß in einem Fernbus aus Südfrankreich, wo ihn Mitreisende erkannten. Samstagnachmittag wurde er dann auf dem Zentralen Omnibusbahnhof in Berlin festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Aber es werde auch geprüft, ob der Mann mit einem Tötungsvorsatz handelte, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Wer eine vollkommen arglose Person von hinten attackiere, nehme womöglich deren Tod in Kauf. Sollten die Ermittlungen dies ergeben, komme auch eine Anklage wegen versuchten Mordes in Frage. Der Mann habe sich zu der Tat geäußert, was genau er gesagt hat, ließ der Sprecher allerdings offen.

Svetoslav S., der als "Berliner U-Bahntreter" weltweit Schlagzeilen machte, stammt den Behörden zufolge aus Bulgarien und ist Vater von drei Kindern. Er lebte in Berlin, wo er in einem Restaurant und auf dem Bau arbeitete. Zwei der Männer, mit denen er Ende Oktober in Neukölln unterwegs war, sind seine Brüder. Einer von ihnen wurde bereits in der vergangenen Woche ausfindig gemacht und von der Polizei befragt, gegen ihn wird wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt. Die Attacke auf dem U-Bahnhof ist womöglich nicht die erste Straftat von Svetoslav S. Einem bulgarischen Fernsehbericht zufolge ist er in seiner Heimat mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Raubes und Diebstahls.

Der Bahnhof Hermannstraße ist zum Symbol für rohe Gewalt in der Großstadt geworden

Die Tat von der Hermannstraße bewegt die Hauptstadt seit Tagen. Privatleute haben Belohnungen ausgesetzt, die zur Ergreifung des Täters führen, der Schauspieler Jan Josef Liefers rief die Berliner über Facebook dazu auf, gemeinsam nach den Männern zu suchen. In der Politik ist eine Diskussion über die Sicherheit im öffentlichen Raum entbrannt. Der ist der jüngsten Berliner Kriminalstatistik zufolge zwar so sicher wie selten zuvor, schwere Gewalttaten sind in der Hauptstadt zurückgegangen, auch in Bussen, U-Bahnen und auf öffentlichen Plätzen hat die Gewalt abgenommen. Allerdings fordert die Berliner CDU, die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen weiter auszubauen. Auch werden Stimmen laut, die verlangen, dass die Polizei schneller öffentlich fahnden solle als bisher. Von Seiten der Polizei heißt es dazu jedoch, dass diese Art der Fahndung unter Beteiligung der Bevölkerung nur dann zum Einsatz komme, wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft seien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: