Musikfestival gegen Gentechnik:Rind of Change

Woodstock in Wolpertshausen: Auf einem Acker lassen Biobauern Musiker wie die Scorpions, Nena oder Joe Cocker für mehr ökologisches Bewusstsein rocken.

Bernd Dörries

Wolpertshausen - Es ist vielleicht noch etwas früh, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Oder sich zumindest darüber zu informieren, wie es gehen könnte.

Rock for Nature, dpa

Biorock, Bionade und Biosessel: Die Besucher des dreitägigen Musikfestivals "Rock für Nature" konnten es sich auf Heuballen bequem machen.

(Foto: Foto: dpa)

Um halb zehn am Samstagmorgen sind gerade einmal fünf Leute in eines der großen Zelte gekommen, um sich einen Film anzuschauen, in dem es um die Macht der großen Lebensmittel- und Saatgutkonzerne geht. Daneben stehen ein Dutzend Infostände, die über sehr viele Probleme dieser Erde berichten.

Die Welt sieht aber eigentlich ganz in Ordnung aus an diesem Morgen in Wolpertshausen. Fast 30.000 Menschen hatten in der Nacht zuvor auf dem Acker hinter den Zelten gestanden und der Musik zugehört, getrunken und gegessen und nochmal etwas getrunken.

An diesem Morgen ist nur eine einzige leere Bierflasche auf dem Campingplatz neben dem Festivalgelände zu sehen. Eine Kehrmaschine spült den Schlamm von der Straße, ein Tankwagen saugt die Behälter der Dixi-Klos ab und fährt den Inhalt ein paar hundert Meter weiter in die kleinen Türme einer Biogasanlage. Es hat wahrscheinlich noch nie ein Rockfestival gegeben, das so ordentlich ist.

Es wurde in den vergangenen Jahren schon gegen Aids und für Afrika gesungen, für die Opfer von Naturkatastrophen und viele andere Benachteiligte und Bedürftige. An diesem Wochenende nun ist "Rock for Nature" dran, ein Festival für die Natur, ökologisch korrekt.

Insgesamt mehr als 60.000 Menschen sind nach Angaben der Veranstalter nach Wolpertshausen gekommen, um sich Gruppen wie Wir sind Helden oder die Scorpions anzuschauen und dazu Ökobier zu trinken oder Bionade, Coca-Cola gibt es nicht. Wolpertshausen liegt in Baden-Württemberg, nördlich von Schwäbisch Hall und direkt an der Autobahn.

Und weil viele Festivalbesucher nicht ökologisch korrekt mit dem Fahrrad gekommen sind, sondern mit dem Auto, haben die Veranstalter versprochen, einen Ausgleich zu schaffen: Auf den Philippinen sollen Regenwälder wieder aufgeforstet, in der Region um Schwäbisch- Hall Streuobstwiesen gepflanzt werden und so eine ausgeglichene Co2-Bilanz entstehen.

"Das ganze Festival soll klimaneutral sein", sagt Rudolf Bühler. Der Veranstalter erzählt in diesen Tagen gerne von den Parallelen von Woodstock und Wolpertshausen. Darunter macht er es nicht.

In Woodstock haben Hunderttausende Hippies auf dem Gelände eines Bauern eine riesige Party gefeiert, in Wolpertshausen haben die Bauern das Festival gleich selbst organisiert. Für Rudolf Bühler ist es Teil des Bauernkrieges. Des Widerstandes gegen die großen Agrarkonzerne und ihre genveränderten-Produkte. "Gen-Tec Nein Danke", heißt das Motto des Festivals, das keinen Gewinn machen soll.

Wir sind Helden ohne Gentechnik

Einen kleinen Konzern hat Bühler, 56, aber selber aufgebaut hier in Hohenlohe. Er hat einige Jahre als Entwicklungshelfer in Asien und Afrika gearbeitet, dann kam er zurück in die Heimat und übernahm den Hof der Eltern.

Lesen Sie auf Seite 2, was Joe Cocker den Biobauern von Wolpertshausen zu sagen hat

Rind of Change

Mitte der achtziger Jahre haben er und ein paar andere Bauen die "Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall" gegründet und eine fast ausgestorbene Schweinerasse wieder belebt: das Mohrenköpfle, ein Schwein mit weißem Rücken und schwarzem Kopf. Damals gab es noch kaum Biosiegel, aber Bühler und seine Mitstreiter wollten Schweinezucht ohne Antibiotika und Wachstumsförderer, Schweinefleisch hatte einen schlechten Ruf damals.

Musikfestival gegen Gentechnik: Wir sind Helden: ökologisch korrekte Musik.

Wir sind Helden: ökologisch korrekte Musik.

(Foto: Foto: dpa)

Heute gehören fast 1000 Bauern zur Erzeugergemeinschaft, sie hat einen eigenen Schlachthof mit 200 Metzgern und macht einen Umsatz von 80 Millionen Euro im Jahr. In ganz Süddeutschland kennt man Schwäbisch-Hällisches Fleisch. Bühler hat das nicht gereicht, er will die "Message in ganz Deutschland verbreiten".

Die Auswahl der Künstler hat Bühler nach seinen eigenen Vorlieben vorgenommen. Es ist eine zumindest sehr ungewöhnliche Mischung: Am Freitag, dem ersten großen Festivaltag, hat man den Eindruck, dass viele Besucher nicht wegen der Gruppe Wir sind Helden gekommen, sehr viele aber wegen Nena früher gegangen sind.

Wir sind Helden reden viel zwischen ihren Liedern und machen einige Wortspiele: Sie sprechen von dem Festivalmotto und von einer Bewegung, und fordern dann das Publikum auf, mit den Händen diese oder jene Bewegung mitzumachen. Den Leuten gefällt es, dass die Musiker eine Haltung haben, die aber nicht zu aufdringlich rüberkommt. Das passt gut zum Festival, bei dem die Infostände am Rande stehen und nicht im Weg, wenn man sich ein neues Bio-Bier holen will.

Dort wo am Samstagabend fast 30.000 Menschen stehen, war bis vor kurzem einfach ein Acker, auf dem Bio-Weizen angebaut wurde. Etwa 60 Tonnen Weizen wurden hier vor einigen Wochen geerntet und zu Festival-Brotlaiben verarbeitet, die nun mit einem großen Stück Fleisch dazwischen verkauft werden. Es ist aber nicht alles Bio in Wolpertshausen, der Hubschrauber jedenfalls, mit dem man für 35 Euro einen Rundflug über das Festivalgelände machen kann, fliegt jedenfalls nicht mit Biogas aus den Dixitoiletten.

"Rock for Nature" mit Joe Cocker und den Scorpions

Am Samstag ist Joe Cocker nach Wolpertshausen gekommen, der auch schon in Woodstock dabei war und nun erzählt, wie gerne er seine eigenen Tomaten anbaue und dass er sich nicht erinnern könne, "an einem dermaßen großen Konzert teilgenommen zu haben, das auf das Thema Natur ausgerichtet ist".

Musik sei ein sehr gutes Mittel, um eine Botschaft zu verbreiten. Dies gelte heute für das "Rock for Nature" genauso wie damals für das Festival in Woodstock. Bevor Cocker auf die Bühne geht, erzählt dort Vandana Shiva von ihrem Kampf gegen die Gentechnik in Indien. Shiva hat 1993 den Alternativen Nobelpreis bekommen, von jedem Ticket erhält sie bis zu fünf Euro für ihre Projekte zum Erhalt der Arten- und Saatenvielfalt in Indien.

Mit ihr steht Percy Schmeiser auf der Bühne, ein Bauer aus Kanada, der seit Jahrzehnten gegen die großen Agrarkonzerne und für eine gentechnikfreie Landwirtschaft prozessiert, auch er hat dafür den alternativen Nobelpreis bekommen. "Wenn wir heute nicht aufstehen, dann wird Gentechnik die Landwirtschaft zerstören", sagt Schmeiser. Die Begeisterung für die beiden ist größer als bei Nena.

Die Scorpions, die am Sonntag spielen, haben dem Festival schon Wochen vor ihrem Auftritt eine Grußbotschaft geschickt, die man sich im Internet anschauen kann. Sie loben das Anliegen und weisen darauf hin, dass sie selbst "so sauber" wie möglich essen würden, allein schon weil es sonst die Verdauung schwerer haben könnte und man nie wisse, was genveränderte Nahrung auslösen könne. Man unterstütze den "friedlichen Widerstand der Bauern", sagt Sänger Klaus Meine. Rind of Change gewissermaßen.

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