Musiker nach Fatwa in Lebensgefahr:Tod dem Ketzer

Es geht um Fußball, Silikonbrüste, Korruption, Viagra und falsche Prediger. Mit einem Rap-Song hat der Musiker Shahin Najafi die Glaubenswächter in seiner Heimat Iran erzürnt. Nach einer Fatwa schwebt er in Lebensgefahr - doch der Wahl-Kölner will sich weder verstecken, noch den Mund verbieten lassen.

Marc Felix Serrao

Dafür, dass sein Leben in akuter Gefahr ist, wirkt Shahin Najafi gefasst. "Es geht gut", sagt der 31-jährige Musiker am Montagmittag am Telefon. "Ich verfolge die Neuigkeiten, ich spiele Gitarre und arbeite an einem Lied, das war's." Wo er sich gerade aufhält, will er nicht sagen, irgendwo in Deutschland, wo er seit 2005 lebt. Es gibt Menschen, die der Überzeugung sind, dass Najafi den Tod verdient.

Bedrohter Rapper Najafi hat Todesangst

Seit 2005 lebt der iranische Musiker Shahin Najafi in Deutschland - wo er sich nach eigener Aussage auch aktuell noch aufhält. (Im Bild: Najafi springt am Rhein-Ufer in Köln in die Luft.)

(Foto: dapd)

Ajatollah Naser Makarem Shirazi, zum Beispiel. Der iranische Religionsgelehrte, Jahrgang 1924, hat zu Beginn der Woche in Najafis Heimat eine Fatwa erlassen. In dem Rechtsgutachten, das für Muslime bindend ist, die die Autorität des Geistlichen anerkennen, bezeichnet er Najafi namentlich als Apostaten - als vom Glauben Abgefallenen. Shirazi, der in Iran ein einflussreicher Hardliner ist, sagt zwar nicht explizit, welche Konsequenzen sein Urteil für den zuletzt in Köln lebenden Musiker hat, aber nach iranischem Recht ist der Fall klar.

Ketzerei ist eine Todsünde. Najafi ist vogelfrei.

Es begann mit einem Lied

Um die Brisanz der Lage zu verstehen, muss man etwas ausholen. Es beginnt mit einem Lied, das Najafi Anfang Mai über Ali al-Hadi al-Naghi veröffentlicht hat, unter anderem auf der Videoplattform YouTube. Al-Naghi, der im neunten Jahrhundert lebte, ist der zehnte der zwölf schiitischen Imame, er wird als direkter Nachfahre des Propheten Mohammed verehrt. In Najafis halb gerappten, halb gesungenen und von einer zischenden Beatbox unterlegten Song wird der Imam immer wieder aufgefordert, zurückzukehren, um in Iran aufzuräumen ("Hey Naghi!"). Dabei rührt der Sänger auf Persisch alles zusammen, was ihm in den Kopf kommt, Fußball, Silikonbrüste, Korruption, Viagra und falsche Prediger.

Eine Provokation? Nein, sagt Najafi. "Das ist meine Arbeit. Ich bin Künstler. Ich darf sagen, was ich will." Das Lied sei keine Kritik am Islam, sondern an der politischen Lage in Iran.

Doch zu spät. Das Lied - so meldeten es mehrere Medien in der vergangenen Woche - habe bereits einen anderen iranischen Geistlichen, den 92-jährigen Ajatollah Ali Safi Golpayegani aus der Stadt Ghom, dazu verleitet, eine Fatwa gegen Najafi zu verbreiten. Najafi stellte daraufhin Strafanzeige gegen den Geistlichen bei der Polizei in Köln, was diese bestätigt. Doch wie es scheint, war das übereilt.

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