Müntefering und der Flugzeugunfall:Von der Bruchlandung ins Zelt

SPD-Chef Franz Müntefering übersteht die Notlandung seines Flugzeugs in Stuttgart unverletzt - und setzt ohne Pause den Wahlkampf fort.

Bernd Dörries

Franz Müntefering hat oft gesagt, dass Gefühle nicht so seine Sache sind. Zumindest nicht deren öffentliche Darlegung. So erzählt er erst einmal gar nichts von der ganzen Geschichte. Er steht vor einer Trachtenkapelle in einem Festzelt in Stuttgart-Feuerbach und spricht über die Fehler der CDU und den Siegeswillen der Sozialdemokratie.

Manche im Festzelt sagen, er sehe sehr bleich aus. Andere wollen die übliche Müntefering-Farbe erkennen. Es ist vom Pflichtmenschen die Rede auf den Bierbänken: Der Bundesvorsitzende der SPD, der da auf der Bühne steht, ist nur anderthalb Stunden zuvor fast mit dem Flugzeug abgestürzt und erklärt nun, warum Frank-Walter Steinmeier Kanzler wird. So, als ob nichts gewesen sei.

Ein kleiner Einblick

Es war natürlich doch etwas, was Müntefering dann nach seiner Rede draußen vor dem Bierzelt erzählt, ein kleiner Einblick in das, was er gerade auf dem Stuttgarter Flughafen erlebt hat: "Das kann man einmal erlebt haben im Leben, das reicht." Nähere Angaben zu seinem Innenleben während der heiklen Minuten im Flugzeug möchte er aber nicht machen. "Das sind so Sachen, wo jeder seine eigenen Gedanken hat, das will ich hier nicht ausbreiten", sagt Müntefering, 69.

Am Morgen hatte die Feuerwehr einen Teppich aus Löschschaum ausgebreitet auf der Landebahn des Stuttgarter Flughafens. Der Pilot einer Fokker 100 auf dem Weg von Berlin nach Stuttgart hatte dem Tower über Funk mitgeteilt, dass sich das Fahrwerk nicht ausfahren ließ, woraufhin auf dem Flughafen Großalarm ausgelöst wurde.

"Sanfte Landung"

Das Flugzeug kreiste etwa eine Stunde über dem Airport, bis die Landebahn eingeschäumt war. Einmal flog die Fokker auch ganz tief am Tower vorbei, damit man von dort schauen konnte, wie weit sich das Fahrwerk ausfahren ließ. Nicht weit genug, meinten die Experten, der Pilot landete schließlich zumindest teilweise auf dem Rumpf der Maschine. Als das Flugzeug mit 78 Insassen aufsetzte, sprühten Funken.

Franz Müntefering empfand die Landung ohne komplettes Fahrwerk als "sanft, sanfter als auf Rädern". Ein Passagier und eine Flugbegleiterin wurden bei dem Zwischenfall dennoch leicht verletzt. Mehrere Fluggäste erlitten einen Schock. Alle an Bord hätten sich aber vorbildlich verhalten, sagte Müntefering und seien auch ruhig geblieben, als sie von der Crew über die technischen Probleme informiert wurden. "Unser Dank gilt dem Kapitän, der eine Meisterleistung hingelegt, und seiner Crew, die die Situation professionell gehandhabt hat", sagt Müntefering.

Probleme bisher nicht bekannt

Der Stuttgarter Flughafen blieb bis zum Abend gesperrt. Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung begannen mit der Inspektion der Unfallmaschine. Nach Angaben der Fluglinie Contact Air, die mit der Lufthansa kooperiert, seien ähnliche Probleme beim Typ Fokker 100 bisher nicht bekannt gewesen. Die betroffene Maschine sei zuletzt Anfang August umfangreich überprüft worden.

Weil Wahlkampf ist, weist man in der Berliner SPD-Zentrale darauf hin, dass Müntefering und sein Begleiter als einzige aus der Unfallmaschine keine psychologische Hilfe in Anspruch genommen haben. Müntefering fährt nach dem Unglück in das Bierzelt, hält dort seine Rede, isst eine Brezel und trinkt ein Bier.

Er werde selbstverständlich alle seine Termine am heutigen Tage einhalten und auch am Abend auf dem Rückweg nach Berlin bereits wieder das Flugzeug nehmen, sagt er vor dem Bierzelt in Stuttgart. Und Frank-Walter Steinmeier werde selbstverständlich Kanzler. Das sei doch sonnenklar.

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