Süddeutsche Zeitung

Münster:Polizei identifiziert Todesopfer der Auto-Attacke

  • Zwei Menschen sterben, als ein Mann am Samstag einen VW-Bus in die Tische vor einem Münsteraner Lokal lenkt. Mehr als 20 Menschen werden verletzt.
  • Der mutmaßliche Täter war Deutscher und nach Informationen von SZ, WDR und NDR psychisch auffällig. Er tötete sich nach der Tat selbst.
  • Es gibt keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Tat, das Motiv des Mannes ist noch unklar.
  • Im Tatfahrzeug und der Wohnung des Mannes wurden Polenböller und unter anderem eine Schreckschusswaffe gefunden.

Es war ein frühsommerlicher Tag in der Studentenstadt, die Tische vor den Lokalen am Münsteraner Denkmal Kiepenkerl gut besetzt, als gegen 15.30 Uhr ein VW-Bus in die Gruppe der Restaurantgäste fährt. Zwei Menschen sterben, etliche werden verletzt. Zunächst schwanken die Angaben zu den Opferzahlen stark, am Abend beziffert die Polizei die Zahl der Verletzten auf mehr als 20; sechs von ihnen haben schwere Verletzungen davongetragen.

Eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und ein 65-jähriger Mann aus dem Kreis Borken seien bei der Tat getötet worden, heißt es am Sonntag in einer gemeinsamen Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Zudem bestätigen sie Medienberichte, wonach es sich bei dem Täter vermutlich um einen 48-jährigen Mann aus Münster handele. Hinweise auf den Hintergrund der Tat lägen noch nicht vor. Es werde in alle Richtungen ermittelt.

Mutmaßlicher Angreifer war psychisch auffällig

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen Deutschen, der Medienberichten zufolge aus dem Sauerland stammt und seit längerem in Münster lebte. Nach Informationen von SZ, NDR und WDR war der Mann, Jens R., psychisch auffällig. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul, CDU, sagte bei einer improvisierten Pressekonferenz am Samstag am Tatort, es gebe keine Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Den Hinterbliebenen und Verletzten sprach er sein Mitgefühl aus.

Das Tatfahrzeug wurde den Angaben zufolge von Experten des Landeskriminalamts untersucht, nachdem mehrere verdächtige Drähte entdeckt worden waren. Die Beamten gaben später Entwarnung. Bei der Durchsuchung des Campingbusses wurden neben der Tatwaffe eine Schreckschusswaffe und etwa ein Dutzend Feuerwerkskörper, sogenannte Polenböller, gefunden. In der Wohnung des Täters entdeckten die Ermittler am Abend weitere Knallkörper und eine unbrauchbar gemachte Maschinenpistole.

Nach Mittätern sucht die Polizei nicht. Es gebe keine Hinweise, dass noch weitere Verdächtige an dem Verbrechen beteiligt waren - man gehe von der Tat eines Einzeltäters aus, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Die Polizei war zunächst Zeugenaussagen nachgegangen, wonach noch zwei Menschen aus dem Auto gesprungen und geflüchtet sein sollten.

Am Samstagnachmittag war schon nach wenigen Augenblicken die Polizei vor Ort gewesen; zahlreiche Einsatzkräfte hatten sich für eine angesetzte Demonstration gegen die türkische Militäroperation in Nordsyrien in der Innenstadt bereitgehalten. Die Straßenzüge rund um den Kiepenkerl wurden abgeriegelt, die Polizei forderte die Münsteraner auf, den gesamten Innenstadtbereich zu meiden. Hubschrauber kreisten über der Stadt, Sirenen von Polizei- und Rettungswagen hallten durch die leeren Straßen. Am frühen Sonntagmorgen durften die Anwohner im Sperrbereich rund um den Tatort in Begleitung von Polizisten in ihre Wohnungen zurückkehren.

"Münster, bleib wie Du warst"

"Ganz Münster trauert über dieses schreckliche Ereignis", sagte Oberbürgermeister Markus Lewe, der gemeinsam mit Reul vor die Presse trat. "Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Getöteten. Den Verletzten wünschen wir schnelle und baldige Genesung." Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie zahlreiche weitere Politiker äußerten Entsetzen über die Tat und Mitgefühl für die Opfer. Axel Prahl, der im Münsteraner "Tatort" Hauptkommissar Frank Thiel verkörpert, schrieb auf Facebook: "Münster, bleib wie Du warst und wie wir Dich lieben: offen, friedlich, freundlich, stark und stolz. Lass Dich jetzt nicht unterkriegen."

Die Restaurants "Großer Kiepenkerl" und "Kleiner Kiepenkerl" sind bei Münsteranern wie Touristen beliebt. Der "Kiepenkerl", dem die Lokale ihre Namen verdanken, ist das Standbild eines reisenden Händlers aus dem Münsterland. Die Statue mitten in der historischen Innenstadt ist ein Wahrzeichen der 300 000-Einwohner-Stadt.

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