Sylt:Die Glamour-Insel hat ein Müllproblem

Stichwahl um Bürgermeisteramt in Sylt

Sylt ist die Lieblingsinsel der Schönen - und vor allem der Reichen.

(Foto: dpa)
  • Weil viele Inselbewohner ihren Biomüll nicht ordnungsgemäß entsorgen, hat Sylt ein Müllproblem.
  • Das lokale Abfallunternehmen will die Bürger zur gewissenhafteren Mülltrennung erziehen: Ab Mai soll es Müllkontrollen geben.

Von Angelika Slavik

Wenn es einen Ort gibt, an dem man in Deutschland das glamouröse Leben vermutet, dann auf Sylt. Sylt, die Lieblingsinsel der Schönen und vor allem der Reichen. Gunther Sachs und Brigitte Bardot feierten hier legendäre Partys, die Tänzerin Gret Palucca spazierte nackt durch die Dünen. Die persische Ex-Kaiserin Soraya suchte hier Trost, Simone Thomalla und Rudi Assauer haben sich auf Sylt geprügelt, und Theodor Storm hat an der "Sylter Novelle" gebastelt, bis ihn der Krebs dahinraffte. Das ist der Mythos.

Sylter trennen den Müll nicht ordentlich

Die Realität allerdings kommt naturgemäß mit weitaus weniger Glanz daher, und zu den diversen Problemen der Insel gesellt sich ein neues: das mit dem Müll. Nur 25 Kilogramm Biomüll pro Jahr entsorgt jeder Inselbewohner im Durchschnitt über die dafür vorgesehenen Tonnen. Das ist ein Bruchteil dessen, was in den benachbarten Landkreisen gesammelt wird. Und das liegt nicht etwa daran, dass die Sylter besonders eifrige Müllvermeider wären, ganz im Gegenteil. Sie trennen bloß nicht ordentlich. 35 Prozent des Abfalls in den grauen Restmülltonnen ist organischen Ursprungs, das hat die lokale Abfallwirtschaftsgesellschaft AWNF bei einer Analyse des Sylter Glamour-Mülls herausgefunden. Deshalb will sie die Inselbewohner nun zu mehr Gewissenhaftigkeit erziehen.

"Achtung! Wo lassen Sie Ihre Bioabfälle?" steht auf den Flyern, die in diesen Tagen auf Sylt angebracht werden - und zwar bei jedem, der vor seinem Haus zwar eine Restmüll-, aber keine Biotonne stehen hat. Wer sich jetzt nicht schnell eine bestellt, wird von Mai an mit härteren Maßnahmen konfrontiert: Dann gibt es Müllkontrollen. Und jeder, der nicht ordentlich sortiert, bleibt auf seinem kompletten Dreck sitzen. Restmülltonnen, in denen zum Beispiel Gurkenschalen, Gartenabfälle oder das vertrocknete Basilikumpflänzchen von der Fensterbank entsorgt wurden, werden nicht mehr geleert. Stattdessen bekommen die Sünder einen Aufkleber mit dem Hinweis, sie mögen sich bitte bessern.

Tourismuswirtschaft will Ausnahmen für Urlauber

Sylt, gerne das Saint-Tropez des Nordens genannt, könnte also bald eher so etwas sein wie das Neapel der Nordsee: Die drittgrößte Stadt Italiens verwandelt sich wegen Ausfällen bei der Müllabfuhr regelmäßig in einen stinkenden Moloch.

So weit dürfte es auf Sylt aber nicht kommen. Vor allem aus der Tourismuswirtschaft gibt es kritische Stimmen wegen der strikten neuen Regeln. Denn viele Menschen nutzen Sylt als Zweitwohnsitz und vermieten ihre Häuser über weite Teile des Jahres an Feriengäste. Wie sollen die Hausbesitzer sicherstellen, dass auch die Urlauber vorbildlich ihren Abfall sortierten? Das ruft nach Ausnahmen.

Das Problem mit dem Müll fügt sich in eine Reihe von Schwierigkeiten, mit denen Sylt zu kämpfen hat. Vor allem die Immobilienpreise wirken sich negativ auf das Leben auf der Insel aus. "Normalsterbliche" könnten sich kein Haus mehr leisten, bekannte die scheidende Bürgermeisterin Petra Reiber kürzlich. Und jene, die das notwendige Kapital mitbringen, kommen oft nur für ein paar Wochen im Jahr. Junge Familien, echte Sylter Kinder gibt es kaum noch - die Trauminsel wird zu einer Pappkulisse für die Ferien der Reichen. Fast möchte man sagen: Das stinkt zum Himmel.

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