Coronaausbruch:"Klein-Ischgl" im Donaubergland

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Das Städtchen Mühlheim gilt als malerisch - hat aber derzeit mit vielen Corona-Infektionen zu kämpfen. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Das Städtchen Mühlheim an der Donau wird nach einem Wanderausflug zum Corona-Hotspot. Nun ist von Lügen der Wanderer die Rede - und von massiven Drohungen.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

In der Lokalzeitung hat sich ein Kommunalpolitiker schon beschwert, dass sein Heimatort nun als "Klein-Ischgl" gelten würde: Weil eine Gruppe Wanderer im beschaulichen Mühlheim an der Donau für einen größeren Corona-Ausbruch verantwortlich sein soll, ist dort der Ärger groß - über das Verhalten der erwachsenen Wanderer und über den schlechten Ruf, den diese der Stadt beschert haben. Während die Polizei noch wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung gegen Mitglieder der Wandergruppe ermittelt, sehen die sich nicht nur heftiger öffentlicher Kritik, sondern auch "massiven Drohungen" ausgesetzt.

Das kleine Städtchen Mühlheim mit nur 3600 Einwohnern liegt im Süden Baden-Württembergs malerisch im Donaubergland zwischen Schwäbischer Alb, Schwarzwald und Bodensee. Von hier aus kann man schöne Wanderungen unternehmen - etwa im Donautal.

Während der Corona-Pandemie sollte das aber bekanntlich nur in kleinsten Gruppen geschehen, und auf keinen Fall mit anschließendem geselligen Beisammensein in einer Hütte. Genau so sah aber offenbar am 16. Januar die Freizeitgestaltung von 14 Einheimischen aus, die laut Behörden aus zehn Haushalten kamen. Neun von ihnen wurden laut dem Landkreis Tuttlingen infiziert. Bis zu diesem Donnerstag wurden dem Landkreis Tuttlingen 32 Neuinfektionen gemeldet, die mit diesem Ausflug zusammenhängen sollen. "Ein Ende der Infektionskette ist derzeit noch nicht in Sicht", teilte die Behörde mit. Eine der infizierten Person musste vorrübergehend zur stationären Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden, konnte aber nach wenigen Tagen wieder entlassen werden.

Stefan Bär, der Landrat von Tuttlingen, hat den Vorfall vor einigen Tagen in einer Videobotschaft scharf kritisiert: "Das ist für mich ein Beispiel dafür, wie durch rücksichtsloses Verhalten uns allen ein großer Schaden zugefügt wird", sagte er.

Was Bärs Ärger verstärkte: Einige der Wanderer, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sind offenbar trotz Quarantäneanordnung zur Arbeit gegangen und haben dort weitere Personen angesteckt. Außerdem sollen einzelne Wanderfreunde das Gesundheitsamt über die Zahl ihrer Kontaktpersonen angelogen haben.

Der Landrat will, dass die Wanderer strafrechtlich belangt werden

Der Landrat will erreichen, dass die Regelbrecher nicht nur Bußgelder erhalten, sondern auch strafrechtlich belangt werden. Die Staatsanwaltschaft sei bereits eingeschaltet, so Bär in seiner Videobotschaft. Es sei wichtig, "dass wir mit aller Härte und mit aller Konsequenz diesen Vorfall aufarbeiten, ermitteln und ahnden". Denn das Verhalten der Wandergruppe sei nicht nur rücksichtslos egoistisch und zum Schaden der Gesellschaft, es sei auch "ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die sich an die Regeln halten, obwohl sie sich auch täglich darüber ärgern".

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag jedoch, dass die Staatsanwaltschaft in dem Fall bislang nicht eingeschaltet sei. Man gehe bislang davon aus, dass die Wanderer keine Straftaten, sondern lediglich Ordnungswidrigkeiten begangen hätten.

Der Landkreis hat am Donnerstag mitgeteilt, dass sich Landrat Bär aufgrund laufender Ermittlungen nicht weiter zu dem Fall äußern werde und dass es sich um einen Verstoß gegen die geltende Corona-Verordnung handle.

Gespräche der Schwäbischen Zeitung mit einigen Teilnehmern der Wanderung waren eher unergiebig. Alle hätten von "massiven Drohungen" berichtet, schreibt die Lokalzeitung. Einige würden inzwischen von einer "saublöden Tat" sprechen, anderen fehle die Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben.

Mühlheims Bürgermeister sowie sämtliche Gemeinde- und Ortschaftsräte haben das Verhalten der Wandergruppe in einer öffentlichen Stellungnahme verurteilt. "Der Vorfall hat dem Ansehen unserer Stadt, aber auch unseres Landkreises stark geschadet", heißt es da. Er trage außerdem dazu bei, dass die Zahl der Neuinfektionen im Landkreis über dem Landesdurchschnitt liege.

Am Freitag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Tuttlingen bei 101, in Baden-Württemberg bei 67. Eine "sehr harte und abschreckende Bestrafung" sei "richtig und notwendig". Die Kommunalpolitiker betonen in dem Schreiben, dass die Wanderung nicht von einem Verein organisiert worden sei - in der Stadt gab es darüber Spekulationen und offenbar auch Anfeindungen. Bürgermeister Jörg Kaltenbach mahnte in der Schwäbischen Zeitung auch an, dass nun keine "Hexenjagd" gegen die Beteiligten veranstaltet werden dürfe.

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