MS804:Mysteriöses Notsignal

Nach dem Unglück des Egypt-Air-Fluges MS804 wurde schnell über ein automatisch gesendetes Signal spekuliert - wann ein solches Notsignal gesendet wird und wie es bei den Ermittlungen helfen könnte.

Analyse von Jens Flottau

In den ersten Stunden, nachdem der Egypt-Air-Flug 804 von den Radarschirmen verschwunden war, drehten sich viele der Spekulationen um die Frage, ob es ein Notsignal gegeben habe. Wie so oft in solchen Fällen widersprachen sich die Behörden, und die Konfusion war groß. Wie die Antwort darauf am Ende ausfällt, ist für die Aufklärung des Unglücks von großer Bedeutung.

Die Piloten des Airbus A320 hatten offenbar keine Zeit gehabt, sich über Funk bei der Flugsicherung zu melden, also einen Notruf abzusetzen. Das ist ein Hinweis darauf, dass, was immer über dem Mittelmeer am Rande des ägyptischen Luftraumes passiert ist, sofort katastrophale Folgen hatte. Bei einem Notruf hätte die Besatzung inhaltliche Angaben machen können zu den Ursachen der Probleme. Im Falle eines Notrufs stellen sie zudem den sogenannten Transpondercode, eine für jeden Flug neu vergebene vierstellige Zahl, mit deren Hilfe jedes Flugzeug von der Flugsicherung identifiziert werden kann, auf eine bestimmte Zahlenfolge um, die einen Notfall signalisiert.

Wann automatische Signale gesendet werden

Grundsätzlich können allerdings nicht nur Piloten einen Notruf absetzen, auch die Flugzeuge selbst übermitteln Daten an die Heimatbasis. Dafür wird das Aircraft Communications Addressing and Reporting System (ACARS) verwendet. Vor allem bei Unregelmäßigkeiten, etwa dem Ausfall eines Triebwerks oder stark schwankender Geschwindigkeit, werden die Meldungen automatisch abgesetzt. Bei Unfällen können sie hinterher verwendet werden, um den Ablauf der Ereignisse möglichst genau zu rekonstruieren. Solche automatisch übermittelten Daten haben zuletzt bei zwei großen Flugzeugkatastrophen eine wichtige Rolle gespielt, so beim Flug Air France 447 im Jahr 2009 und beim Malaysia Airlines Flug 370 fünf Jahre später.

Rückschlüsse auf die Unfallursache?

Im Falle des Air-France-Airbus A330 waren während des Fluges von Rio de Janeiro nach Paris mutmaßlich die Staudruckrohre vereist; sie messen die Geschwindigkeit der Maschine. Wegen der Unregelmäßigkeiten bei der Fluggeschwindigkeit übermittelte der Jet Dutzende technische Parameter, neben der Geschwindigkeit selbst unter anderem auch die Flughöhe und die Position. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Maschine schon außerhalb der Reichweite des brasilianischen Radars. Obwohl das Wrack erst Monate später geortet werden konnte, ließen die Daten wertvolle Rückschlüsse auf die Unfallursache zu und ermöglichten den Flugsicherheitsbehörden, rasch Checks vorzunehmen.

Bei dem bis heute verschollenen Flug MH370 spielten ebenfalls die ACARS-Signale eine wichtige Rolle. Nur durch sie konnten die Unfallexperten feststellen, dass die Boeing 777 noch Stunden nach dem Verschwinden vom Radar weitergeflogen war. Im Fall der Malaysia -Airlines-Maschine handelte es sich allerdings nicht um ein Notsignal, sondern um ein in bestimmten Abständen ausgesandtes Signal, durch das die Zeit genau synchronisiert werden sollte. Nach dem Verschwinden von MH370 beschloss die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, die Positionen von Flugzeugen künftig auch in den Regionen besser zu überwachen, die nicht vom Radar abgedeckt sind. Für die nötigen technischen Einbauten gelten aber noch längere Übergangsfristen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: