Süddeutsche Zeitung

Mozartkugeln:Mythos mit Marzipan

Ein Salzburger Unternehmen, das die berühmten Mozartkugeln herstellt, ist pleite. Was bedeutet das für die österreichische Seele?

Von Verena Mayer

In den ohnehin schon langen Strom unerfreulicher Nachrichten aus Österreich (Corona, Korruption, Kurz-Rücktritt) platzt nun auch diese hier: Das Unternehmen Salzburg-Schokolade, das die berühmten Mozartkugeln herstellt, ist pleite und hat Anfang der Woche Insolvenz angemeldet. Noch ist nicht klar, was das für die Mitarbeitenden und Gläubiger bedeutet, am Dienstag fanden in Salzburg unter anderem Gespräche zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung statt.

Fest steht jedoch, dass seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 viel weniger Touristen nach Österreich kamen. Und die sind traditionell die Hauptzielgruppe für die Pralinen: Spätestens im Duty-free-Shop greift jeder ins Regal mit den in Goldfolie verpackten Kugeln, die das Konterfei Mozarts ziert und die auf Englisch auch unter dem irritierenden Namen "Mozart Balls" bekannt sind. Dazu habe es in derselben Zeit weniger Hochzeiten, Geburtstage und Familienfeiern gegeben, auf denen man Mozartkugeln essen oder verschenken hätte können, wird der Geschäftsführer von Salzburg-Schokolade in österreichischen Medien zitiert.

All das führte offenbar dazu, dass ein Unternehmen vor dem Aus steht, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg landete die Firma mit ihren "Mirabell Mozartkugeln" einen internationalen Verkaufserfolg. Was "Sound of Music" für den Film war, waren die Mozartkugeln auf dem Gebiet der Süßwaren - österreichische Markenbotschafter. Wie bei vielen bekannten Marken gab es auch hier jede Menge Zoff, wer nun die einzig wahren Mozartkugeln herstellt. Ein Salzburger Konditor will die "Original Salzburger Mozartkugeln" einst erfunden haben, nach etlichen gerichtlichen Auseinandersetzungen existieren diese nun neben den "Echten Reber-Mozart-Kugeln" sowie eben den "Echten Salzburger Mozartkugeln" von Mirabell.

Symbol für die österreichische Identität

Was die Pleite des Produzenten der Mirabell-Mozartkugeln nun für die Fans der süßen und klebrigen Pralinen bedeutet, wird sich zeigen. Sicher ist, dass nicht nur in Österreich jede und jeder etwas damit anfangen kann. Der geschmackliche Dreiklang aus Nougat, Schokolade und Pistazien-Marzipan ist ein für alle Mal mit dem Namen Mozarts verknüpft, und man weiß sofort, was man bekommt, wenn man den Namen des Komponisten in Verbindung mit Kuchen, Eis oder Pfannkuchen liest.

Nicht zuletzt muss die Mozartkugel regelmäßig als Symbol für die österreichische Identität herhalten. So nannte der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel drei Dinge, die typisch für das Land Österreich seien: Mozartkugeln, die Lipizzaner und die Neutralität. Schüssel bezeichnete diese Institutionen Anfang der Nullerjahre als "alte Schablonen", die es zu überdenken gelte, weil sie in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr hätten. Zumindest was die Mozartkugeln betrifft, sieht es so aus, als könnte er damit recht behalten.

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