Süddeutsche Zeitung

Mount Everest:8848,86 Meter

China und Nepal haben den Mount Everest neu vermessen: Er ist nun offiziell 86 Zentimeter höher. Ist der höchste Berg der Welt etwa gewachsen?

Von Titus Arnu

Der höchste Berg der Welt ist zweifellos der Qomolangma (tibetisch: "Göttinmutter der Erde"), besser bekannt als Mount Everest. Sein Gipfel ist benannt nach dem britischen Landvermesser George Everest, der den Gipfel nie selbst gesehen hat. Aber wie hoch ist er genau? In den meisten Lexika steht: 8848 Meter. Die Chinesen gaben die Höhe bisher mit 8850 Metern an. Jetzt haben die Regierungen Nepals und Chinas gemeinsam verkündet: Der Mount Everest ist genau 8848,86 Meter hoch, gerundet also 8849 Meter.

Diese Zahl ist das Ergebnis zweier Expeditionen: Vermesser aus Nepal stiegen im Frühjahr 2019 über die Südroute auf, um den Gipfel mit GPS, Radar und Winkelmessinstrumenten zu vermessen. Ein chinesisches Team hatte dasselbe Ziel, als es im Mai 2020 von Tibet aus den höchsten Punkt der Erde erreichte. Die Chinesen bauten dafür eigens ein 5G-Mobilfunknetz am Berg auf. Zweieinhalb Stunden lang arbeiteten die Wissenschaftler auf dem Gipfel - ungestört durch andere Bergsteiger, denn der Everest war wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr für Touristen gesperrt.

Bei der ersten Vermessung des Everest im Jahr 1852 kamen indische Landvermesser auf eine Höhe von 29 002 Fuß, umgerechnet sind das etwa 8840 Meter. Allerdings peilten sie die höchste Spitze von Indien aus an, Nepal war damals für Ausländer nicht zugänglich. Eine 1954 mittels trigonometrischer Technik vorgenommene Vermessung kam zu dem Ergebnis, dass der Gipfel des Everest genau 8847,70 Meter über dem Meeresspiegel liegt, aufgerundet 8848. Diese Zahl wurde von vielen Ländern offiziell anerkannt, auch von Nepal.

Über welchem Meeresspiegel eigentlich?

Heutzutage arbeiten Landvermesser mit Radar, GPS und Laser, trotzdem variieren die Ergebnisse. Das liegt zum einen an den Messmethoden, zum anderen kann sich die Höhe von Gipfeln tatsächlich ändern. Die Chinesen verwenden als Referenzpunkt die Meereshöhe von Qingdao am Gelben Meer, die Nepalesen die Meereshöhe bei Karatschi am Indischen Ozean, zwischen diesen beiden Punkten liegen 6000 Kilometer. Zudem ist die Frage, ob man mit Radargeräten die höchste Felsspitze unter der Eiskappe misst oder die absolute Höhe mit Schneeauflage. 2004 wurde eine Schneehöhe von 3,70 Metern gemessen, der Gipfel darunter wurde mit 8848,40 Meter angegeben - insgesamt also 8852 Meter.

Je nach Wind, Temperatur und Niederschlagsmenge wächst oder schrumpft der Eispanzer auf dem Berg. Und die Höhe des Everest schwankt auch wegen seiner Lage zwischen zwei tektonischen Platten. Der indische Subkontinent schiebt sich gegen den Himalaya und lässt das Gebirge jährlich um einige Zentimeter wachsen. Einer Studie der University of Colorado zufolge ist der Everest bei einem Erdbeben im Jahr 1934 um 63 Zentimeter abgesunken. Auch das starke Erdbeben von 2015 führte in Nepal zu Höhenveränderungen.

Jede Messung sei also nur ein "Schnappschuss in der Zeit", sagte der US-Alpinist Alan Arnette, der den Everest 2011 bestieg, vor Beginn der jüngsten teuren Vermessungsexpeditionen. Der ganze Aufwand nur für 86 Zentimeter? Hätte man das Geld nicht dringender für Schulen, Straßen und medizinische Versorgung in Nepal gebraucht? Bei einem so hohen Berg, über den die Grenze zwischen Nepal und China verläuft, geht es natürlich auch um höhere Dinge. Nach einem Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2019 in Nepal wurde das Gemeinschaftsprojekt zum "Zeichen ewiger Freundschaft" aufgewertet.

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