Süddeutsche Zeitung

Moschee in Algerien:Bau des höchsten Minaretts der Welt verärgert Algerier

265 Meter soll es in den Himmel ragen, mehr als eine Milliarde Euro soll es kosten - das höchste Minarett der islamischen Welt. Mit dem Bau der Moschee Dschamaa al-Dschasair soll sogar Mekka übertroffen werden. Während der algerische Präsident in die Geschichte eingehen will, sind viele Algerier überhaupt nicht erfreut.

Rudolph Chimelli

Mit 265 Metern wird das Minarett der neuen Großen Moschee von Algier das höchste der islamischen Welt sein. Es soll die Minarette von Mekka und Medina übertreffen, es wird auch höher als der Turm von Casablanca, mit dem der frühere König Hassan II. den bisherigen Rekord setzte.

Mit ihren anderen Dimensionen reiht sich die für 120.000 Gläubige bestimmte Dschamaa al-Dschasair unmittelbar hinter Mekka und Medina ein. Ihre Betonfundamente wurden Mitte August im östlichen Vorort Mohammadia gelegt, zehn Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt Algier entfernt.

Der Bau wird mehr als eine Milliarde Euro kosten und soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 fertig sein. Er wird von der China State Construction Engineering Corporation ausgeführt, 10.000 chinesische Arbeiter werden dafür nach Algerien eingeflogen. Schon die Ost-West-Autobahn und die meisten anderen großen öffentlichen Arbeiten im Land wurden von Chinesen ausgeführt.

Pharaonisches Unterfangen

Von den 17.000 Stellen für junge Algerier, mit denen das Projekt inklusive Kosten in seiner frühen Phase gerechtfertigt wurde, ist nicht mehr die Rede. Offiziell beträgt die Arbeitslosigkeit zehn Prozent. Tatsächlich dürfte etwa die Hälfte aller jungen Männer ohne Beschäftigung sein.

Dies ist nicht der einzige Grund, weshalb das "pharaonische Unterfangen" in Algerien umstritten ist. Die Zeitung Liberté weist auf die schweren Probleme hin, die alle gewichtiger seien in einem Land, das bereits 14.659 Moscheen und 20.000 weitere Gebetsstätten besitze: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Wasserknappheit, mangelhaftes Gesundheitswesen, fehlende Schulen sowie die Abhängigkeit von importierten Nahrungsmitteln, Textilien und Medikamenten.

Erst in fünf Jahren werde es laut Plan genügend Elektrizität geben. Angesichts der chronischen Verkehrsengpässe in der Hauptstadt wird sich laut Liberté kaum jemand ins Auto setzen, um in der neuen Großmoschee zu beten oder einen der 2000 Arbeitsplätze in der geplanten Bibliothek besetzen, um in einem ihrer eine Million zählenden Bücher zu lesen.

Ein Museum, ein islamisches Kulturzentrum, Ausstellungen, eine Einkaufsmeile, 6000 Parkplätze - all das auf 20 Hektar Grund, sollen die Moschee attraktiv machen. Nur in einem Nebensatz deutete ein Minister einmal an, was jeder Algerier weiß: Präsident Abdelaziz Bouteflika will mit dem Monument "eine Spur in der Geschichte" hinterlassen. Seine Amtszeit läuft 2014 aus und er wird sich nicht wieder zur Wahl stellen.

Ist der Bauort erdbebensicher?

Architekten monieren, der Bauort sei nicht erdbebensicher. Ein Argument, das Religionsminister Bouabdallah Ghlamallah damit zu entkräften suchte, dass die zuständige Kommission japanische und amerikanische Seismologen konsultiert habe. Selbst ein Beben der Stärke neun auf der Richterskala würde von den geplanten Schutzvorrichtungen zu 70 Prozent absorbiert.

Im Internet rufen zwei Petitionen gleichwohl dazu auf, das Ganze abzublasen und "auf die architektonische Aggression in der Stadtlandschaft von Algier" zu verzichten. Sogar auf die Bauruine, die der irakische Diktator Saddam Hussein mit seiner "größten Moschee" in Bagdad hinterlassen hat, wird als abstoßendes Beispiel von Größenwahn hingewiesen.

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SZ vom 30.08.2012/fzg
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