Süddeutsche Zeitung

Mordprozess in Paris:Tödliche Taxifahrt

In ihrer letzten SMS schreibt Susanna: "Der Fahrer sieht nicht sauber aus." Wenig später ist die Austauschstudentin aus Schweden tot, grausam ermordet und an einem Waldweg abgelegt. Nun wird der Fall der 19-Jährigen vor einem Pariser Gericht verhandelt - angeklagt ist ein mehrfach vorbestrafter Taxifahrer.

Stefan Ulrich, Paris

Susanna Z. hat lange mit ihren Freundinnen gefeiert in jener Nacht auf den 19. April 2008. Als sie gegen 4.30 Uhr die Diskothek in der Rue de Rivoli im Zentrum von Paris verlässt, sind kaum noch Taxis unterwegs. So steigt die 19 Jahre alte, hübsche, blonde Schwedin, die an der Sorbonne Französisch studiert, in ein illegales Taxi.

Irgendetwas kommt ihr "bizarr" vor, wie sie einer Freundin am Telefon sagt. Dann schreibt sie noch eine SMS: "Der Fahrer sieht nicht sauber aus." Es ist ihre letzte Botschaft.

Bald darauf findet eine Spaziergängerin an einem Waldweg bei Chantilly nördlich von Paris die teilweise verbrannte Leiche Susannas. Die Hände sind mit Handschellen gefesselt. Die Gerichtsmediziner stellen vier Schussverletzungen im Kopf und eine Stichwunde in der Lunge fest.

Die Polizei überprüft die Fahrer illegaler Taxis in Paris. So stößt sie auf den damals 51 Jahre alten Bruno C. In seinem Auto wird eine Tasche entdeckt, auf der mit rotem Filzstift geschrieben steht: "Susanna 377". In der Tasche stecken eine Pistole des Kalibers 22, eine angebrochene Patronen-Schachtel, Handschellen und Latexhandschuhe. Auf der Pistole finden sich DNA-Spuren von Bruno C. und der jungen Schwedin.

Diese Woche hat nun vor einem Pariser Schwurgericht der Prozess gegen Bruno C. begonnen. Er wurde beim Auftakt am Dienstag sogleich unterbrochen, weil sich der kleine, füllige Mann auf der Anklagebank unwohl fühlte. Er verbrachte die Nacht in einem Krankenhaus.

Am Mittwoch wurde dann weiterverhandelt. Die Beweislage scheint dabei eindeutig zu sein. Doch Bruno C. bestreitet die Tat. Er behauptet, die Polizei selbst habe die Tasche mit den Beweisstücken in seinem Auto deponiert. Sie habe sich so dafür rächen wollen, dass er sich nicht als Polizeispitzel zur Verfügung gestellt habe.

Seine Anwälte argumentieren zudem, ihr Mandant sei wegen seiner Vorgeschichte von den Ermittlern sogleich als Schuldiger angesehen worden. Bruno C. kam 1957 in dem Champagner-Städtchen Épernay zur Welt. Er wuchs bei Pflegemüttern auf und kam schon früh in eine psychiatrische Erziehungsanstalt. Er selbst behauptete einmal, er sei bereits im Alter von fünf Jahren in eine Zwangsjacke gesteckt worden. Er habe in seiner Jugend "null Zuneigung, null Verständnis" empfangen.

Mit 15 Jahren wurde er erstmals verurteilt, wegen bewaffneten Raubes. Mit 19 Jahren entführte und vergewaltigte er eine junge Frau und wurde dafür mit sechs Jahren Gefängnis bestraft. 1983 verschleppte er ein 12-jähriges Mädchen in einen Wald und missbrauchte es. Dafür erhielt er 18 Jahre Haft. Insgesamt wurde Bruno C. im Lauf seines Lebens wegen verschiedenster Delikte elf Mal bestraft.

Nun will er sich gegen eine zwölfte Verurteilung wehren. Seine Verteidiger sagen, die Ermittlungen seien unvollständig.

Die Angehörigen der ermordeten Schwedin sind dagegen von der Schuld des Angeklagten überzeugt. Susannas Eltern und ihr Bruder verfolgen den Prozess im Gerichtsaal. Einer ihrer Anwälte sagt, die Familie erwarte von dem Verfahren Antworten auf die Fragen: "Wurde sie missbraucht? Hatte sie Angst? Hat sie lange gelitten?"

Das Urteil soll noch im September fallen.

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SZ vom 06.09.2012/jobr
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