Es war eine Extremsituation mit Ansage: Bevor Gert Saayman beim Mordprozess gegen Oscar Pistorius in den Zeugenstand trat, verbot Richterin Thokozile Masipa, dass seine Aussage live übertragen wird. Saayman ist Gerichtsmediziner. Er berichtete zu den Ergebnissen der Autopsie von Reeva Steenkamp. Die Würde des Opfers erfordere das Ausschalten von Kameras und Mikrofonen, sagte der Pathologe. Den Journalisten im Saal wurde auch das Twittern untersagt.
Die anschließenden nüchternen Ausführungen Saaymans waren derart detailliert, dass viele Anwesende im Saal zu weinen begannen. Auch dem Angeklagten war deutlich anzumerken, wie nahe ihm die Schilderungen gingen: Immer wieder musste sich Pistorius übergeben. Lange saß er, den Kopf vornüber gebeugt, zusammengekauert da, erst am Ende von Saaymans Aussage richtete er sich wieder auf. Sein Bruder Carl und seiner Schwester Aimée trösteten den schluchzenden Angeklagten.
Einzelheiten zu Steenkamps Obduktion wurden zunächst nicht bekannt. "Hier geht es nicht um die Pressefreiheit, sondern um die Rechte und die Würde der Toten", hatte der Pathologe vor seinen Ausführungen gesagt. Auch die Verteidigung des Angeklagten hatte sich strikt gegen eine Übertragung gewandt.
Fest steht, dass Pistorius' Freundin Steenkamp in den frühen Morgenstunden des 14. Februar 2013 von drei Schüssen in Arm, Hüfte und Kopf getroffen wurde und wenig später an diesen Schussverletzungen starb. Ein vierter Schuss verfehlte sie. Abgegeben wurden die Schüss durch eine geschlossene Toilettentür in Pistorius' Haus.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den 27-jährigen Paralympics-Athleten des Mordes. Dieser sagt, er habe seine Freundin irrtümlich erschossen, weil er einen Eindringling im Haus wähnte und in Panik gewesen sei. Das Verfahren vor dem High Court in Pretoria wird von mehreren Fernseh- und Radiosendern direkt übertragen. Etwa 300 Journalisten aus aller Welt verfolgen den spektakulären Prozess.
Der Gerichtsmediziner Saayman war der erste Experte, der in dem Prozess aussagte. Bisher schilderten Zeugen vor allem, wie sie die Tatnacht erlebt haben:
- Michell Burger - Die Nachbarin von Pistorius ist die wichtigste Zeugin der Anklage. Die Universitätsprofessorin wohnt 170 Meter von Pistorius' Haus entfernt. Sie sagt, sie habe gegen drei Uhr nachts erst einen Mann schreien gehört, dann eine Frau. Der Schrei der Frau sei sehr verzweifelt gewesen, so als wenn jemand um sein Leben schreie.
- Charl Johnson - Der Ehemann von Michell Burger berichtete ebenfalls, dass er nachts durch Schreie einer Frau aufgewacht sei. Er sei dann auf den Balkon gerannt. "Es war klar, dass das Leben dieses Menschen in Gefahr war." Es seien Schüsse gefallen, sagte Johnson, ohne sich genau zu erinnern, wieviele.
- Estelle van der Merwe - Sie ist ebenfalls eine Nachbarin von Pistorius und auch sie erzählte von einem Streit, den sie gehört habe. Sie sei gegen zwei Uhr davon aufgewacht, der lautstarke Streit habe mehr als eine Stunde gedauert. Später sei sie wieder aufgewacht, diesmal von lauten Knallgeräuschen, sagte Van der Merwe. Damit zieht die Nachbarin Pistorius' Darstellung der Ereignisse in der Tatnacht grundsätzlich in Zweifel.
- Johan Stipp - Der Nachbar berichtet von Hilferufen, Schreien und Schüssen. Zuerst alamierte er den Sicherheitsdienst des Wohnkomplexes. Dann eilte er zum Haus von Pistorius, den er zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht erkannte. Im Gerichtsaal berichtete Stipp, dass Pistorius ohne seine Beinprothesen über der leblosen, blutenden Reeva Steenkamp gestanden und geweint habe. "Ich habe sie erschossen, ich dachte, sie war ein Einbrecher und ich habe sie erschossen", soll Pistorius gesagt haben. Der Sportler habe laut gebetet und Gott angefleht, seine Freundin möge nicht sterben. Stipps Aussage ist die erste, die Pistorius' Version stützen könnte.