Mordfall Mohamed:Doppeltes Geständnis

Silvio S. beschreibt zuerst detailliert, wie er den vierjährigen Mohamed missbraucht und ermordet hat. Und überrascht die Ermittler dann mit dem Hinweis, er habe auch den sechsjährigen Elias getötet.

Von Jens Schneider, Berlin

Es war der 8. Juli, ein Tag mitten im Sommer, als der sechs Jahre alte Elias in Potsdam verschwand. Seine Mutter hatte ihn am Nachmittag auf einem Spielplatz im Stadtteil Schlaatz wieder abholen wollen. Seither suchten Angehörige und Nachbarn im weiten Umfeld, auch die Polizei, in der Hoffnung, den Jungen zu finden. Wie im Fall des kleinen Mohamed in Berlin-Moabit, eines bosnischen Flüchtlingskindes, klebten sie Tausende Zettel mit einem Foto des Kindes an Laternenpfähle und Wände: Hatte irgendjemand den Jungen gesehen? Polizisten, Angehörige und Nachbarn gingen von Haus zu Haus, um Menschen zu befragen. Die Kinder konnten doch nicht spurlos verschwunden sein, sie waren doch gerade noch da.

Erst gab er Mohamed ein Plüschtier, dann nahm er ihn im Auto mit

Jetzt scheint festzustehen, dass ein 32 Jahre alter Mann aus dem Dorf Niedergörsdorf im Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg beide Jungen entführt und getötet hat. Silvio S. hat die Morde gestanden, die Leiche des vierjährigen Mohamed wurde in seinem Auto gefunden: in einer Kinderwanne, er hatte den Körper mit Katzenstreu bedeckt. Nach der Leiche des sechsjährigen Elias suchte die Polizei am Freitagnachmittag in einer Kleingartenkolonie in Luckenwalde. Der 32-Jährige, der im Wachschutz bei einer Firma in Teltow beschäftigt war, hat dort seit einem Jahr ein Grundstück gepachtet. Er hatte den Ermittlern die Stelle auf einer Skizze gezeigt. An der Stelle sei ein Paket gefunden worden, in dem sich eine Leiche befand, teilte die Polizei am Abend mit. Ob es sich dabei um Elias handelt, soll in einer Obduktion geklärt werden, deren Ergebnis aber wohl erst am Montag vorliegt.

-

Mit Kerzen gedenken die Menschen vor dem Lageso dem Flüchtlingsjungen Mohamed.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

In seiner Vernehmung hatte der junge Mann zunächst detailliert geschildert, wie er vor einigen Wochen Mohamed entführt, mit zu sich nach Hause genommen und dort sexuell misshandelt habe. Und "als das Kind, wie er sich ausdrückte, gequengelt und gemault habe", so Oberstaatsanwalt Michael von Hagen, "habe er Mohamed mit einem Gürtel erwürgt".

Haben die "chaotischen Zustände am Lageso" die Entführung erst ermöglicht?

Zum Mord an Elias hat Silvio S. dagegen bisher nur wenige Angaben gemacht. Am Ende seiner Vernehmung habe er angegeben, dass er noch ein weiteres Kind getötet habe. Ihm sei daraufhin ein Foto von Elias gezeigt worden, berichtete ein Ermittler am Freitag. Der Mann habe daraufhin gesagt: "Ja, das ist der Junge, den ich getötet habe." Auch habe er den Jungen nach seinem Namen gefragt. Der Mann sei am Ende der Vernehmung wortkarg geworden und habe keine weiteren Angaben gemacht.

Der vier Jahre alte Flüchtlingsjunge Mohamed aus Bosnien war am 1. Oktober vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zuletzt gesehen worden. Seine Mutter war zu Besuch auf dem Amt, vor dem derzeit täglich Hunderte Flüchtlinge auf einen Termin warten. Es herrscht ein ziemliches Chaos dort, der Platz ist schwer zu übersehen. Es heißt, die Mutter, die mit ihren Kindern seit Längerem in Berlin lebt, habe Mohamed nur kurz nicht im Blick gehabt.

Verschwundener Elias - vier Wochen danach

Auf Plakaten wird noch um Hinweise zum Verbleib von Elias gebeten.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Silvio S. gab an, dass er am Lageso Spenden für die Flüchtlinge abgeben wollte, Kuscheltiere, Spielzeug und Kleidung, "er habe Gutes tun wollen", sagt ein Beamter. "Er habe Mohamed ein Plüschtier gegeben, der sei ihm hinterhergelaufen", so der Ermittler. "Er habe ihn dann in seinem Auto in seine Wohnung mitgenommen." In seinem Geständnis habe er gesagt, dass er Mohamed tötete, weil er fürchtete, dass seine Eltern ihn entdecken könnten.

Mohamed wurde demnach offenbar kurz nach seiner Entführung getötet. Silvio S. habe angegeben, dass er den Leichnam auf dem Dachboden des Wohnhauses seiner Eltern in einer Wanne ablegte und wegen des Geruchs mit Katzenstreu bedeckte. Vor seiner Festnahme legte er die Wanne dann in sein Auto und fuhr damit einkaufen.

Erst Wochen nach der Entführung des Jungen war die Aufnahme einer Überwachungskamera entdeckt worden, die offenbar den Mann und den Jungen zeigt. Diese Bilder waren eher unscharf, am Dienstag dieser Woche wurden weitere Aufnahmen entdeckt und veröffentlicht, mit klaren Konturen. Die Mutter von Silvio S. hatte ihren Sohn nach Angaben der Ermittler schon angesprochen, als die ersten Bilder veröffentlicht wurden. Er habe geleugnet. Als sie ihn diesmal zur Rede stellte, habe er die Tat eingeräumt. Zunächst habe sie mit ihm zur Polizei fahren wollen, habe dann aber die Polizei gerufen. Er kaufte nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Cousine, bevor er nach Hause zurückkehrte, wo er von der Polizei erwartet wurde. Der 32-Jährige lebte in einer Wohnung im Haus seiner Eltern. Er sei nicht vorbestraft und für die Polizei bisher "ein unbeschriebenes Blatt", sagte Staatsanwalt Hagen.

Vor dem Lageso legten Hunderte Berliner Kerzen und Blumen ab. Zugleich hat der Tod des kleinen Mohamed eine Debatte über die chaotische Situation am Landesamt ausgelöst - dort warteten auch am Tag der Entführung Hunderte auf offenem Gelände in einer ungeordneten Situation auf einen Termin. Die Landesparteivorsitzende der Grünen, Bettina Jarasch, sagte etwa, sie treibe die Sorge um, "dass es die chaotischen Zustände am Lageso waren, die dem Täter eine Entführung so leicht gemacht haben". Der Berliner Senat trage die Verantwortung dafür, dass sich so etwas nicht wiederholen dürfe.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: