Mordfall Kercher:Familie Sollecito verspricht Unterstützung

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Raffaele Sollecito, der stille Arztsohn aus Süditalien, spielte im Justizdrama um den Tod der Britin Meredith Kercher stets nur eine Nebenrolle. Jetzt geht seine Familie in die Offensive: Man wolle die Hinterbliebenen Kerchers bei der Aufklärung des Falls unterstützen. Die plant indes offenbar eine Zivilklage - gegen Amanda Knox.

Während seine Ex-Freundin Amanda Knox in Seattle von Jubelrufen und Dutzenden Kameras begrüßt wurde, war Raffaele Sollecito nach dem spektakulären Freispruch im Mordfall Kercher zunächst lautlos verschwunden. Sollecito, der - so das erste Urteil - die britische Studentin Meredith Kercher angeblich gemeinsam mit Knox ermordet haben soll, durfte ebenfalls nach Hause zurückkehren. Zuhause, das ist für Sollecito Bisceglie, ein kleiner Ort an der südlichen Adriaküste.

Auch Raffaele Sollecito wird in seinem Elternhaus im süditalienischen Bisceglie von der Presse belagert. Während er sich zurückhält, hat sein Vater Francesco nun seine Unterstützung für die Familie Kercher zugesagt. (Foto: AP)

Von dort ist nun die erste Wortmeldung der Familie Sollecito seit dem Urteil am vergangenen Montag zu vernehmen. "Die Familie Kercher soll wissen, dass wir bereit sind, ihnen dabei zu helfen, die Wahrheit herauszufinden", sagte Sollecitos Vater Francesco der britischen Tageszeitung Daily Mirror, "wir wollen dafür alles tun, was in unserer Macht steht." Er könne die Tragödie der Familie nachfühlen.

Sollecito, der stille, unscheinbare Arztsohn, hatte wenig Erfahrung mit Frauen, bis er im Herbst 2007 die lebenslustige, umtriebige Amanda Knox traf. Wochen später wurde er wegen Mordverdachts verhaftet. Sollecito spielte im Justizdrama von Perugia - anders als seine gewandte, prominente Verteidigerin Giulia Bongiorno - stets nur eine Nebenrolle, wurde in den Medien als Knox' williger Gehilfe dargestellt.

Nach dem Freispruch will der 27-Jährige offenbar eine bodenständige Karriere einschlagen: Im Gefägnis schloss er sein begonnenes IT-Studium ab, er soll bereits mehrere Job-Angebote aus den USA erhalten haben. Noch vor Weihnachten wird Sollecito nach Angaben seines Vaters in die Vereinigten Staaten reisen - um dort seine Ex-Freundin Amanda zu besuchen.

Eine romantisches Happy End, wie es die Bild-Zeitung schon erhoffte, dürfte das allerdings nicht bedeuten - auch wenn die beiden sich während ihrer Haftzeit Briefe schrieben. "Es wäre zuviel gesagt, dass sie noch verliebt seien", sagte Francesco Sollecito im Daily Mirror. Curt Knox hatte den Ex-Freund seiner Tochter zuvor in die USA eingeladen. So wolle seine Familie dazu beitragen, dass auch der Italiener wieder "in die Spur" komme.

Während Raffaele Sollecito die Presse in den vergangenen Tagen gemieden hatte, gingen Knox und ihre Angehörigen äußerst offensiv mit dem Freispruch um, äußerten sich in Zeitungen und vor Kameras. Beobachter rechnen damit, dass Knox mit der Geschichte ihres Schicksals Millionen verdienen dürfte - genug, um die Hypothek abzubezahlen, die ihre Familie für die Gerichtskosten aufnehmen musste. Und möglicherweise genug, um alte Schadenersatzansprüche wieder aktuell werden zu lassen.

Im Zuge der ersten Verurteilung von Knox und Sollecito im Dezember 2009 wurde der Familie Kercher eine Entschädigung in Höhe von 4,4 Millionen Euro zugesprochen - zu zahlen von beiden Verurteilten zu gleichen Teilen. Bereits damals ließ Curt Knox mitteilen, seine Familie könne die Summe nicht aufbringen. Die Zahlung wurde zunächst ausgesetzt - und ist mit dem Freispruch in zweiter Instanz nun eigentlich hinfällig. Doch wie die britische Sun berichtet, soll der Anwalt der Kerchers derzeit eine Zivilklage gegen Knox vorbereiten, um die alten Ansprüche wieder geltend zu machen.

Jene Familie, die den Kerchers jetzt ihre volle Unterstützung zusicherte, erwägt ebenfalls eine Schadenersatzklage. Raffaele Sollecito will möglicherweise vom italienischen Staat Entschädigung fordern - für vier lange Jahre im Gefängnis.

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