Mordfall Jakob von Metzler:Gäfgens letzter Prozess?

Kindsmörder als Opfer: Erneut prüft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Folterklage Magnus Gäfgens, der den Bankierssohn Jakob von Metzler getötet hat.

Der Fall des verurteilten Kindsmörders Magnus Gäfgen kommt nun zum zweiten und letzten Mal vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Die Große Kammer des Gerichts verhandelt von diesem Mittwoch an über die Klage Gäfgens gegen die Bundesrepublik Deutschland. Darin wirft der Mörder des Frankfurter Bankierssohnes Jakob von Metzler dem deutschen Staat vor, ihm sei im Rahmen der Ermittlungen Folter angedroht und anschließend ein faires Verfahren verweigert worden.

Mordfall Jakob von Metzler: Magnus Gäfgen: Sein Fall beschäftigt erneut ein EU-Gericht.

Magnus Gäfgen: Sein Fall beschäftigt erneut ein EU-Gericht.

(Foto: Foto: dpa)

In dem Verfahren vor dem EGMR zur Folterdrohung der Frankfurter Kripo geht es um die Artikel 3 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In Artikel 3 heißt es: "Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." Artikel 6 gewährleistet ein faires Verfahren, das jeder Person zustehe.

Die beteiligten Parteien haben an diesem Mittwoch ihre Rechtsauffassung vorgetragen. Die entscheidenden Beweise für die Verurteilung Gäfgens seien durch die Folterdrohungen der Polizei erpresst worden, sagte dessen Anwalt Michael Heuchemer. Sein Geständnis sei erzwungen und ein Verstoß gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Dem widersprach der Vertreter der Bundesregierung, Jochen Frowein. Gäfgen habe seine Tötungsabsicht vor Gericht gestanden. Die Beweismittel, darunter die Obduktionsergebnisse der Leiche des Kindes, seien nur benutzt worden, um das Geständnis Gäfgens zu bestätigen.

"Verfahren gegen Folter"

Der Gerichtshof hatte Gäfgens Klage im Juni 2008 zunächst abgelehnt. In ihrer damaligen Entscheidung erklärten die Straßburger Richter, die Folterandrohung durch den damaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner und einen Hauptkommissar sei eine unmenschliche Behandlung gewesen. Gäfgen habe jedoch Genugtuung erhalten.

Die deutschen Gerichte hätten "ausdrücklich und unzweideutig anerkannt", dass die Folterdrohungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Außerdem seien die beiden Polizeibeamten strafrechtlich verfolgt worden. Damit seien Gäfgens Nachteile ausgeglichen. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren wurde vom EGMR verneint. Schließlich seien die Geständnisse, die Gäfgen unter Zwang ablegte, im Strafprozess nicht verwertet worden.

Gegen die Entscheidung des EGMR hatte Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer erfolgreich Berufung eingelegt. Nun muss die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Gerichts entscheiden. Die Entscheidungen der Kammer sind endgültig und für Deutschland bindend. Sollte die Bundesrepublik verurteilt werden, könnte das Strafverfahren gegen Gäfgen vor einem deutschen Gericht neu aufgerollt werden.

Menschenrechtsorganisation schaltet sich ein

"Es geht uns um weit mehr als nur einen Einzelfall", sagte Heuchemer. Der Prozess in Straßburg sei ein "Verfahren gegen Folter". Es sei schon als Erfolg zu werten, dass die Große Kammer den Fall nochmals behandele. Das Gericht sehe offenbar die grundsätzliche Dimension des Falls Gäfgen. Inzwischen ist der Klage gegen die Bundesrepublik auch die britische Menschenrechtsorganisation Redress beigetreten. Man habe sich eingeschaltet, um auf eine klare Definition von Folter zu drängen, die auch die Androhung von Folter einschließe, heißt es auf deren Webseite.

Der damalige Jurastudent Magnus Gäfgen hatte am 27. September 2002 den elfjährigen Jakob in seine Wohnung gelockt und ermordet. Drei Tage später wurde er nach der observierten Lösegeld-Übergabe festgenommen. Die Ermittler gingen davon aus, dass der Junge noch lebte. Da Gäfgen dessen Aufenthaltsort nicht verraten wollte, ließ Polizeivizepräsident Daschner ihm Schmerzen androhen. Danach gab Gäfgen den Ort an, an dem die Leiche des Kindes gefunden wurde.

Am 27. Juni 2003 wurde Gäfgen zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Am 20. Dezember 2004 sprach das Frankfurter Landgericht Daschner der Anstiftung zur Nötigung schuldig, aber wegen "massiver Milderungsumstände" erteilte es nur eine "Verwarnung mit Strafvorbehalt". Der mitangeklagte Kriminalhauptkommissar wurde wegen schwerer Nötigung verurteilt.

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