Mord an Tupac Shakur:Gangsta's Hirngespinst

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Tupac Shakur (links) und Suge Knight im August 1996. (Foto: Frank Wiese/AP)

Suge Knight galt vor 20 Jahren als gefürchteter Hip-Hop-Produzent in den USA. Nun macht er mal wieder von sich reden: mit einer gewagten Theorie zum Mord am Rapper Tupac Shakur. Oder hat er doch recht?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt ein Foto, auf dem ist der Musikproduzent Suge Knight zu sehen, wie er in orangefarbenen Gefängnisklamotten in einer Zelle steht. Er nuckelt an einer Zigarre und sieht den Betrachter von oben herab so an, als könne er aus dem Bild heraus jemanden abknallen. Knight war vor 20 Jahren der am meisten gefürchtete Mann der Musikbranche, zu seinen Verhandlungsmethoden gehörten alle Klassiker (Baseballschläger, Kopfüber-vom-Balkon und Knarre-an-den-Kopf). Er war das Vorbild für die hellgesichtigen deutschen Teenager der 90er-Jahre, die zu drolligen Kleinstadt-Gangstern wurden und "Fuck the Police" brüllten.

Das Foto ist gestellt und schon etwas älter, aber es passt noch immer: zu Knight und dem Image, das er so gerne hat. Zurzeit ist er wieder ein Thema in den USA, und mit ihm zwei Mordfälle, über die vor 20 Jahren das ganze Land sprach.

Compton High School, im September 2017. Ein paar Teenager überqueren die Straße zu dieser Schule, die bald so farbenfroh aussehen soll wie Sportstätten bei Olympia. Der Rapper Dr. Dre, einst bei Knights Label Death Row Records unter Vertrag, will zehn Millionen Dollar investieren, er gilt bei den Jugendlichen hier als Held - nicht nur wegen seiner Karriere als Musiker, sondern weil er durch den Verkauf seiner Firma Beats an Apple als Unternehmer zum Milliardär wurde. Wer die Teenager dagegen auf Knight anspricht, hört gelangweilte Geschichten von früher. Angst vor Suge? Habe hier kaum noch jemand, sagt einer: "Der kommt doch eh nicht mehr raus." Das Gegenteil von Furcht ist manchmal Gleichgültigkeit.

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Suge Knight, 52, sitzt derzeit mal wieder im Gefängnis, ihm wird vorgeworfen, dass er im Februar 2015 in Compton den Unternehmer Terry Carter absichtlich überfahren und getötet haben soll. Bei einer Verurteilung im Prozess, der im Januar beginnen soll, könnte er den Rest seines Lebens in Haft verbringen. Es heißt, dass es Knight ziemlich schlecht gehen soll im Knast, er leide an Diabetes, Kurzsichtigkeit und - wegen Verletzungen bei einer Schießerei vor einigen Jahren - an Blutgerinnseln. Dafür jedoch interessieren sich die Leute in Compton nicht wirklich. Was sie beschäftigt, sind die Sachen, die Knight kürzlich über Tupac Shakur gesagt hat.

Wie erfolgreich kann einer sein, der sein Geschäft auf Angst aufbaut?

"Als Tupac gestorben ist, ich meine, falls er tatsächlich gestorben ist ...", sagte Knight am Telefon zu Ice-T. Der Rapper hatte ihn für die TV-Dokumentation "Who Shot Biggie & Tupac" angerufen, es geht darin um die beiden mysteriösen Mordfälle Tupac Shakur und The Notorious B. I. G. in den 90er-Jahren während der Rap-Fehde zwischen Knights Künstlern an der amerikanischen Westküste und denen von Sean "Puff Daddy" Combs' Label Bad Boy Entertainment im Osten. Tupac Shakur wurde im September 1996 in Las Vegas nach einem Boxkampf mit Mike Tyson angeschossen, sechs Tage später verstarb er. Knight saß damals neben ihm im Auto.

"Als ich das Krankenhaus verlassen habe, da haben Pac und ich gelacht und herumgealbert", sagte Knight nun: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden erst so gut und dann so schlecht gehen kann." Auf die Frage, ob er glaube, dass Tupac noch leben könnte: "Ich sage ganz ehrlich: Bei Pac weiß man nie." Tupac war ein Poet und Philosoph, ein Sprachvirtuose, einer der besten Rapper der Geschichte. Durch seinen Tod wurde er zum Mythos.

Es gibt zahlreiche Theorien zu diesem Abend in Las Vegas. Die einen behaupten, Knight habe Tupac töten lassen, weil der sein Label habe verlassen wollen. Knight habe ein Jahr später auch den Mord an The Notorious B. I. G. initiiert, um eine andere Erklärung für Tupacs Tod zu liefern: Beide seien die tragischen Opfer dieser Fehde, die nun endlich ein Ende haben müsse. Eine andere Sichtweise: Combs und Notorious B. I. G. hätten Tupac töten lassen.

Und jetzt also behauptet Knight, dass Tupac noch am Leben sein könnte. Es ist eine gewagte These, wenngleich keine ganz neue. Sie passt aber auch zu diesem Typen, der trotz des kommerziellen Erfolgs - die Einnahmen von Death Row Records lagen Mitte der 90er-Jahre bei 100 Millionen Dollar pro Jahr - doch immer ein Gangster geblieben ist, der Leuten wegen ein paar Dollar eine Knarre an den Kopf hält. Er wurde damit zur Karikatur seiner selbst, das erkannten auch die anderen Musiker, die das Label allesamt verließen.

Es ist eben ein Unterschied, das harte Leben in Compton damals in Liedern zu verarbeiten oder dieses Leben - dem sie ja mithilfe des Erfolgs entflohen waren - zu glorifizieren. Snoop Dogg wurde zum spirituellen Funk-Rapper, Dr. Dre zum erfolgreichen Unternehmer, Ice Cube zum Darsteller in jugendfreien Serien und Filmen. Knight blieb der ewige Gangster.

Das Problem war nur: Wie erfolgreich kann einer sein, der sein Geschäft auf Angst aufbaut und den niemand mehr fürchtet? Knight erklärte erst sein Label und dann sich selbst für zahlungsunfähig, er musste immer wieder wegen kleinerer Delikte wie Diebstahl, Drogenbesitz oder Körperverletzung ins Gefängnis. Nun wird es ernst für ihn, weil er die Dinge offenbar wieder mal auf seine Art hatte regeln wollen. Er wollte Geld dafür, dass er als Figur im Film "Straight Outta Compton" vorkommen dürfe; laut Anklage stürmte er das Filmset und überfuhr später an einer Tankstelle den, der nur schlichten wollte.

In Compton haben die Jugendlichen übrigens eine andere Theorie über den Tod von Tupac; eine, die in der TV-Dokumentation durch Aussagen von Polizisten und Freunden gestützt wird. Es soll weder um Musik oder die East-Coast-West-Coast-Fehde gegangen sein, sondern um verletzten Stolz und Rache. Orlando Anderson, ein Mitglied der Gang "Crips", war an diesem Abend von Knight und Tupac verprügelt worden, er habe sich rächen wollen.

"Ich weiß nicht, ob das stimmt", sagt einer der Teenager auf der Straße: "Was ich aber weiß: Geniale Musiker sind viel zu früh gestorben, wegen Gangs oder Rache oder Profitgier. Was für eine Scheiße." Compton hat sich verändert in den vergangenen Jahren. Ein Gangster wie Suge Knight passt nicht mehr hierhin.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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