Illegales Autorennen:Drei Jahre Haft für Raser nach Tod eines Fußgängers

Mönchengladbach - Fußgänger bei illegalem Autorennen getötet

Spuren vermeidbaren Leids: die Fliethstraße in Mönchengladbach nach dem fatalen Autorennen.

(Foto: Theo Titz/dpa)
  • Im Juni 2017 ist in Mönchengladbach ein 38-jähriger Fußgänger durch ein mutmaßlich illegales Autorennen ums Leben gekommen.
  • Das Landgericht hat den Unfallfahrer zu drei Jahren Haft verurteilt, der andere Fahrer muss eine Geldstrafe von 3000 Euro zahlen.
  • Der Richter begründet das, weil seiner Ansicht nacht zum Zeitpunkt des Aufpralls kein Rennen mehr stattfand.

Von Thomas Hummel

Im Juni 2017 tritt ein 38-jähriger Mann nachts um 23 Uhr die Fliethstraße in der Gladbacher Innenstadt. Er will die vierspurige Straße queren, als plötzlich zwei Autos heranrasen. Eines davon als Geisterfahrer auf der falschen Fahrspur. Diesem kann der Mann nicht ausweichen, es erfasst ihn, er fliegt fast 40 Meter durch die Luft und prallt gegen einen parkenden Wagen. Er ist sofort tot.

Jetzt sind in dem Prozess vor dem Landgericht Mönchengladbach die Urteile gefallen: Der 29-jährige Unfallfahrer muss wegen fahrlässiger Tötung und wegen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung für drei Jahre ins Gefängnis. Der 26-jährige Fahrer, der an dem mutmaßlichen Rennen ebenfalls teilnahm, sich anschließend zwei Tage lang nicht meldete und sich somit der Unfallflucht strafbar machte, muss eine Geldstrafe von 3000 Euro bezahlen.

Damit ging das Gericht sogar über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß für den Unfallverursacher hinaus. Diese hatte zwei Jahre und zehn Monate Haft gefordert. Der Angeklagte hatte zwar gestanden, viel zu schnell gefahren zu sein, will sich aber kein Rennen geliefert haben. Sein Anwalt hatte auf Bewährungsstrafe plädiert.

Junge Männer überschätzen sich maßlos

Die beiden Seat-Fahrer sollen sich Mitten in Mönchengladbach nach Aussagen einiger Zeugen ein spontanes Autorennen geliefert haben. Die wilde Fahrt soll bereits Hunderte Meter vor dem Unglücksort begonnen haben. Die Autos sollen etwa mit Tempo 100 über die Straße gerast sein, in der Fliethstraße sind wegen Lärmschutz aber nur 40 Stundenkilometer erlaubt. Offenbar lag der silberne Seat des 26-Jährigen vorne und fuhr in der Mitte der zwei Spuren, woraufhin der schwarze Seat des 29-Jährigen auf die Gegenspur auswich, um zu überholen. In dem Moment trat der Fußgänger auf die Straße. Zwar bremste der Raser noch, doch beim Aufprall sei das Auto laut Gutachten immer noch mit mindestens 75 km/h unterwegs gewesen.

Doch das Gericht differenzierte in seiner Urteilsbegründung: Der 29-Jährige habe sich möglicherweise zu einem illegalen Rennen herausgefordert und angestachelt gefühlt, führte der Vorsitzende Richter aus. Entsprechend rücksichtslos sei er durch die niederrheinische Stadt gerast. Eine Verabredung und eine Aufforderung zu einem Rennen habe man aber nicht feststellen können. Die zwei beteiligten Autofahrer hätten zurückgesteckt und den Fuß vom Gaspedal genommen - der eine früher, der andere später. Daher ging das Gericht nicht davon aus, dass ein Rennen im Gang war, als der Wagen des 29-Jährigen auf vierspuriger Straße den Fußgänger erfasste.

Rennen mit Verletzten oder Toten sind ein schauerlicher Vorgang, aber kein Einzelfall. Solche illegalen Wettkämpfe sind in manchen Szenen ein regelrechtes Hobby. So sprach zum Beispiel eine Ermittlungsgruppe im oberbayerischen Rosenheim während des vergangenen Jahres 39 Fahrverbote aus. In der öffentlichen Wahrnehmung rufen diese Rennen stets die gleiche Reaktion hervor: Es kann jeden treffen, der sich irgendwie am Straßenverkehr beteiligt. Ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer. Und dass nur, weil sich junge Männer (die Raserszene besteht fast nur aus jungen Männern) nicht im Griff haben, sich gnadenlos überschätzen, sich in ihren oft getunten Autos beweisen und den großen Macker spielen wollen. Das führt zu Unverständnis und Wut.

Der Fahrer wurde zunächst wegen Mordes angeklagt

Deutsche Gerichte haben zuletzt einige Male gerungen, wie sie mit solchen Tätern umgehen sollen, die sich in Innenstädten Autorennen liefern. Sie sprachen höchst unterschiedliche Urteile aus. In Köln kamen zwei Raser zunächst mit einer Bewährungsstrafe davon, obwohl bei ihrem Rennen eine junge Radfahrerin tödlich verunglückt war. Nach einem öffentlichen Aufschrei revidierte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil, unter anderem wegen der Wirkung "auf das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts". Die Täter mussten am Ende doch ins Gefängnis. In Berlin hingegen wurden zwei Raser wegen Mordes zu einer lebenslangen Haft verurteilt, weil einer von beiden bei einem Rennen über den Kurfürstendamm ein Auto gerammt hatte und der darin sitzende Fahrer gestorben war. Auch hier hob der BGH das Urteil auf, der Tötungsvorsatz sei nicht ausreichend belegt. Derzeit wird der Fall in Berlin neu aufgerollt.

Wohl unter dem Einfluss des ersten Berliner Urteils hatten auch die Ermittler in Mönchengladbach gegen den Unfallfahrer ein Verfahren wegen Mordes eingeleitet. Das hatte das Gericht allerdings schnell wieder kassiert. Es gebe keinen hinreichenden Verdacht für einen Tötungsvorsatz, argumentierte das Landgericht und reduzierte die Anklage auf fahrlässige Tötung und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs.

Auch fielen die Angeklagten nicht unter die vor einem Jahr im Bundestag beschlossene Gesetzesverschärfung. Laut Paragraf 315d des Strafgesetzbuches müssen Raser jetzt mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen, wenn bei einem illegalen Rennen ein Mensch schwer verletzt oder getötet wird. Und auch wenn niemand verletzt wird, können Gerichte nun Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren aussprechen. Zuvor hatten solche Rennen lediglich als Ordnungswidrigkeiten gegolten. Die Tat in Mönchengladbach fand allerdings vor der Gesetzesänderung statt.

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