Mönchengladbach:"Ganz schweres mütterliches Versagen"

Auftakt Totschlagsprozess

Die Angeklagte Amanda Z. beim Prozessauftakt in Mönchengladbach am 18.04.2017.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Weil er ihren fünfjährigen Sohn Luca zu Tode geprügelt haben soll, sind Amanda Z. und ihr Lebensgefährte Martin S. vor dem Landgericht Mönchengladbach angeklagt.
  • Vor Gericht schweigen beide Angeklagten zur Tat. Der Vorsitzende Richter sieht bei Z. "ganz schweres mütterliches Versagen".
  • Mehrfach waren im Kindergarten Verletzungen des Jungen aufgefallen, die S. ihm beigebracht haben soll.

Von Benedikt Peters, Mönchengladbach

Als der Notarzt am Morgen in die Wohnung in Viersen kommt, ist es schon zu spät. Luca hat Schaum vor dem Mund, der Körper des Jungen ist blau angelaufen. Später, im Krankenhaus wird sein Tod festgestellt. Luca hat ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Riss in der Milz. Zudem soll er gewürgt worden sein. Der Junge wurde nur fünf Jahre alt.

Am Landgericht in Mönchengladbach hat am Dienstag der Prozess begonnen, der Lucas Tod aufklären soll. Angeklagt sind Amanda Z., seine Mutter, sowie ihr Lebensgefährte Martin S.. Der soll Luca in der Nacht auf den 23. Oktober 2016 zu Tode geprügelt haben, laut Staatsanwaltschaft unter anderem, indem er ihn mit der Faust in den Magen und gegen den Kopf schlug.

Anklage wegen Totschlags und Körperverletzung

Die Staatsanwaltschaft wollte S. zunächst wegen Mordes anklagen, die siebte große Strafkammer des Landgerichts ließ aber nur eine Anklage wegen Totschlags und Körperverletzung zu. Die Begründung: Zum jetzigen Zeitpunkt gäbe es nicht genügend Hinweise darauf, dass S. geplant habe, Luca umzubringen.

Im Gerichtssaal machte S. keine Anstalten, zur Aufklärung der Tat beizutragen. Der junge Mann mit Glatze und üppigem, schwarzem Bart saß die meiste Zeit mit versteinerter Miene da. Angaben zur Sache machte er nicht, nur einige zur Person: schwierige Familienverhältnisse, psychische Probleme, Drogen, zwei abgebrochene Ausbildungen. Zuletzt arbeitete er als Lagerist in einem Getränkemarkt. Sein Anwalt sagt, dass S. die Tat bestreite.

In der Nacht, in der Luca starb, war auch seine Mutter Amanda Z. in der Wohnung. Von der Tötung ihres Sohnes aber will sie nichts mitbekommen haben. Die 24-Jährige sagte vor Gericht, sie habe bis zum Morgen geschlafen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassen vor.

Die Mutter war mehrfache Zeugin der Misshandlungen

Vieles spricht dafür, dass es sich tatsächlich um "ganz schweres mütterliches Versagen" handelt, wie es der Vorsitzende Richter Lothar Beckers formuliert. Denn schon vor seinem Tod hatte der Junge mehrfach Hämatome am Körper, wenn er mit S. allein war. Wenn die Mutter ihren Lebensgefährten deshalb zur Rede stellte, griff dieser offenbar zu abwegigen Begründungen. Mal soll er gesagt haben, Luca sei über den Hund der Familie gestürzt, mal, dass Luca aus dem Bett gefallen sei.

Mehrfach wurde die Mutter Zeuge, wie ihr Lebensgefährte Luca sexuell belästigte. Durch die Badezimmertür, sagte sie vor Gericht, habe sie gesehen, wie S. sich mit dem Finger an Lucas Unterleib verging. Und als er mit dem Jungen badete, soll er eine Erektion gehabt haben.

Als die Richter die Mutter dazu befragten, wie es zum Tod des Kindes habe kommen können, brach sie in Tränen aus. Sie habe nicht wahr haben wollen, dass ihr Partner eine Gefahr für Luca sei, sagt sie. Eine Kriminalkommissarin, die als Zeugin gehört wurde und die zuvor die Mutter vernommen hatte, sagte, sie habe die Frau als Person kennengelernt, die stets "den Weg des geringsten Widerstands" gehe. Aus ihrer Sicht habe Z. nicht die Kraft gehabt, sich von S. zu trennen.

Welche Schuld tragen deutsche Behörden am Tod?

Es gibt eine weitere Frage, um die es zumindest indirekt bei der Verhandlung im Saal A 100 des Mönchengladbacher Landgerichts geht: Welche Schuld tragen deutsche Behörden am Tod des kleinen Luca? Denn dass der Junge misshandelt wurde, blieb auch dem Jugendamt nicht verborgen. Im Januar 2016 fiel den Erziehern in Lucas Kindergarten auf, dass der Junge eine ungewöhnliche Verletzung hatte. Er hatte einen großen blauen Fleck im Gesicht, eine Hautunterblutung. Laut Staatsanwaltschaft erzählte Luca damals, Martin S. habe ihm die Verletzung zugefügt. Die Erzieher schalteten das Jugendamt ein, die Mitarbeiter holten Luca aus der Familie. Im Februar entschied das Amtsgericht Viersen, Luca solle zu seiner Mutter zurückkehren. Den Richtern erzählte Amanda Z. zuvor, sie habe sich von S. getrennt. Die Auflage lautete, Luca dürfe nicht mehr in Kontakt mit ihm kommen.

Zwei Monate später entdeckte man im Kindergarten die nächste Verletzung: eine Brandwunde auf Lucas Rücken. Den Erziehern sagte der Junge, S. habe ihm ein Feuerzeug an den Rücken gehalten. Wieder wurde das Jugendamt verständigt, wieder kam es zur Gerichtsverhandlung. Amanda Z. bestritt, dass Martin S. Kontakt zu dem Jungen gehabt habe. Ein vom Gericht eingeschalteter Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass Amanda Z. erziehungsfähig sei. Von ihr gehe keine Gefahr für das Kindeswohl aus, und auch nicht von Martin S..

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