Süddeutsche Zeitung

Prozess in Mönchengladbach:Wenn sich zwei Anwälte wegen eines erlegten Elchs anschreien

Ein Hobbyjäger will von einem Reiseveranstalter Geld zurück, weil er auf der Jagd um die Chance gebracht worden sei, einen großen Elch zu erlegen. Nun treffen sie sich bei einem äußerst skurrilen Gerichtstermin.

Von Moritz Geier, Mönchengladbach

"Herr Kollege, das ist doch Quatsch", sagt der Anwalt des Beklagten und schneidet dem Anwalt des Klägers das Wort ab. Jetzt, wo der Richter fort ist, entlädt sich die geballte Skurrilität dieses Zivilprozesses in einer Szene. Ein Hobbyjäger aus dem Münsterland hatte einen Jagdreiseanbieter aus Mönchengladbach verklagt. Er wollte 1500 Euro zurück, weil er nicht, wie versprochen, die Chance gehabt habe, in Schklou in Weißrussland einen Elch zu schießen. Gerade hat der Richter angekündigt, die Klage abzuweisen. Die Verhandlung ist vorbei.

Aber vor Saal C 111 im Amtsgericht Mönchengladbach stehen beide Anwälte nun vor versammelter Presse, Kameras filmen, Blitzlichter scheinen, Aufnahmegeräte laufen. Der Anwalt des Klägers hält ein Foto in die Kameras, darauf ein Elchgeweih, der Kopf des Tiers ist allerdings verhüllt. "Angeblich soll dieses Stück verludert aufgefunden worden sein", sagt er triumphierend. "Das heißt: vergammelt". Sein Mandant sei ein erfahrener Jäger, der hätte erkennen können, ob das stimme. Daher habe er wohl nur dieses Foto bekommen. Man habe ihm eine falsche Trophäe unterjubeln wollen.

Im Scheinwerferlicht stehen die Anwälte einander frontal gegenüber

"Quatsch", faucht der Anwalt des Jagdreiseanbieters. "Der Hirsch ist verpackt, damit er verschickt werden kann." Im Scheinwerferlicht stehen die Anwälte einander nun frontal gegenüber.

"Sie hätten uns nur ein Foto vorlegen müssen, auf dem er nicht verpackt ist."

"Darum geht es doch gar nicht. Sie stellen sich hier hin und behaupten vor laufender Kamera, Ihr Mandant sei geleimt worden."

"Das ist auch so."

"Unverschämtheit", sagt der Anwalt des Reiseanbieters und droht strafrechtliche Konsequenzen an. Dann zischt er ab.

Eine halbe Stunde zuvor, um 11.02 Uhr betritt der Kläger, ein grauhaariger Mann mit ernstem Gesicht und gemütlicher Statur, mit seinem Anwalt den Gerichtssaal, zwei Minuten zu spät, die weite Anreise. Im September 2017 hatte der Hobbyjäger bei dem Jagdreiseanbieter eine Reise nach Weißrussland gebucht, Kosten 3870 Euro. Auf der Pirsch sei man auch auf einen Elch gestoßen. Der Kläger behauptet, auf diesen "geringen Elchbullen" allerdings nur geschossen zu haben, weil ihn der weißrussische Berufsjäger, der ihn begleitete, gebeten habe, das hinkende Tier zu töten. Eine Abschussmöglichkeit habe es aber nicht gegeben, der Elch sei durch hohes Gras weitgehend verdeckt gewesen, die Kugel sei wohl durch Gestrüpp abgelenkt worden. Er habe das Tier verfehlt.

"Gibt es eine Aussicht, die Sache gütlich beizulegen?", fragt der Richter in die Runde

Der Reiseveranstalter behauptet dagegen, der Kläger habe den Elch sehr wohl getroffen. Ein Treiber habe das Tier kurz nach der Jagd verludert aufgefunden. Es sei in einem Sumpfgebiet verendet. Die Trophäe, also das Geweih samt Kopf, habe man dem Hobbyjäger später zuschicken wollen, er habe es abgelehnt.

"Gibt es eine Aussicht, die Sache gütlich beizulegen?", fragt der Richter in die Runde. "Nein", sagen beide Anwälte und schütteln den Kopf. Im Rekordtempo rattert der Richter nun seine Analyse des Falls herunter, Gerichtssprecher Jan-Philip Schreiber wird nachher alle Geduld brauchen, die Fragen der Reporter zu beantworten. Kurz und knapp: Der Richter hält die Klage für unbegründet, weil der Kläger auf einen Elch geschossen und damit logischerweise die Chance bekommen habe, auf einen Elch zu schießen. Vertrag erfüllt. Der Kläger hatte für den Fall, dass er die 1500 Euro nicht bekommt, wenigstens 500 Euro gefordert, weil die ihm laut Vertrag für den Abschuss eines Elchs unter sechs Kilo Trophäengewicht zustünden. Auch das lehnt der Richter ab, weil es die 500 Euro nur bei einem Abschuss gebe. Welchen der Kläger ja bestreite.

Am Ende hadert der Anwalt des Hobbyjägers, er hadert mit der Begründung, vom Richter hätte er sich schon vor der Verhandlung einen Hinweis darauf gewünscht, sagt er. Dann hätte man sich die Anreise sparen können. Gleich stürzt er sich, vor den Kameras, mit dem Anwalt der Gegenseite ins Wortduell. Als wäre es der Höhepunkt eines Theaterstücks. Sein Mandant steht derweil still im Hintergrund, es wirkt, als wolle er sich davonschleichen. Das Urteil soll am 27. September ergehen.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2019/olkl
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