Süddeutsche Zeitung

Möglicher Anschlag an der Berliner Gedächtniskirche:Ein Verdächtiger festgenommen - toter Beifahrer ist polnischer Staatsbürger

  • Auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin-Charlottenburg ist ein Lastwagen in die Menge gerast. Zwölf Menschen starben, 48 weitere sind verletzt in Krankenhäuser gebracht worden.
  • Die Polizei hat einen Verdächtigen gefasst, der den Lkw gesteuert haben soll. Der Beifahrer ist nach Polizeiangaben tot.
  • Justizminister Heiko Maas teilte mit, der Generalbundesanwalt übernehme den Fall.

Alle Fakten.

Auf einem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg ist ein Unbekannter mit einem Lastwagen in die Menge gerast. Der Lkw fuhr ersten Erkenntnissen zufolge auf den Gehweg und erfasste dabei mehrere Menschen. Zwölf von ihnen starben, 48 weitere Menschen wurden schwer verletzt in Berliner Krankenhäuser gebracht.

Einen Verdächtigen habe die Polizei zwischenzeitlich festgenommen, sagten die Beamten der Nachrichtenagentur dpa. Ob es sich dabei um den Fahrer des Lastwagens handelt, ist unklar. Der Beifahrer soll nach Polizeiangaben tot sein. Er ist offenbar polnischer Nationalität.

Lastwagen aus Polen - möglicherweise von Baustelle entführt

Der Lastwagen hatte Medienberichten zufolge ein polnisches Kennzeichen. Der polnische Spediteur, dem der Lastwagen gehören soll, sagte, er gehe davon aus, dass der Lastwagen entführt worden sei. Zu seinem Cousin, der den Lastwagen gefahren hatte, habe er seit 16.00 Uhr nachmittags keinen Kontakt mehr gehabt. Der Lkw habe Stahlgestelle aus Italien transportiert und am Dienstag in Berlin entladen werden sollen. Die Polizei twitterte, es bestehe ein Verdacht, dass der Lastwagen in Polen von einer Baustelle gestohlen wurde.

Die Hintergründe des Unglücks von Berlin waren zunächst unklar. Kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse hatte die Polizei von einem möglichen Anschlag gesprochen, wies jedoch später darauf hin, dass die Hintergründe weiterhin unklar seien.

Polizei fordert Berliner auf, zu Hause zu bleiben

Die Gegend um den Breitscheidplatz war abgesperrt, in der Budapester Straße wurde eine Sammelstelle für Angehörige eingerichtet. Im Tempelhofer Polizeipräsidium haben die Beamten ihren vorläufigen Krisenstab aufgebaut. Die Berliner Feuerwehr mobilisierte alle Mitarbeiter, auch die freiwilligen Feuerwehren der Stadt sollten sich bereit halten. Erst nach Mitternacht war ihr Einsatz am Breitscheidplatz beendet.

Die Polizei forderte die Bewohner Berlins auf, zu Hause zu bleiben und die Rettungswege rund um den Platz freizuhalten. Hinweise auf weitere gefährdende Situationen in der Berliner Innenstadt gebe es jedoch nicht.

Regierender Bürgermeister vor Ort - Außenminister Steinmeier erschüttert

Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, die Situation sei unter Kontrolle. "Was wir hier sehen, ist dramatisch", sagte Müller auf dem Breitscheidplatz. Seine Gedanken seien bei den Familien, die Tote oder Verletzte zu beklagen hätten. Der Sprecher der Bundesregierung Steffen Seibert teilte mit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Bürgermeister Müller wegen der Attacke in Kontakt sei.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich tief erschüttert über die "schrecklichen Nachrichten" aus Berlin. "Wir wissen noch nicht mit Gewissheit, was heute Abend wirklich geschehen ist. Die Sicherheitsbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, die Unglücksstelle zu sichern und die Täter zu finden", sagte er.

Innenminister de Maizière: Es spricht viel für einen Anschlag

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte in der ARD auf die Frage, ob weiter Gefahr bestehe: "Davon gehen wir nicht aus." Der Tathergang spreche sowohl für einen Unfall als auch für einen Anschlag.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zu den Ereignissen in Berlin: "Ich möchte im Moment noch nicht das Wort Anschlag in den Mund nehmen, obwohl viel dafür spricht", sagte er am späten Abend in der ARD. Er wolle gemeinsam mit den Berliner Behörden erst Klarheit haben, was geschehen sei. "Über die Hintergründe und den Hergang wissen wir noch nichts Endgültiges." Von der Wortwahl gehe auch eine psychologische Wirkung für das ganze Land aus. "Da wollen wir sehr, sehr vorsichtig sein und hart an den tatsächlichen Ermittlungsergebnissen operieren, nicht mit Spekulationen", sagte de Maizière.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte: "Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt." Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zeigte sich erschüttert. "Europa einmal mehr getroffen", twitterte sie.

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