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Mögliche Tatmotive für Kindstötungen:Die Ursachen einer unfassbaren Tat

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Wenn Mütter ihre Kinder töten, liegt das oft an erheblichen psychischen Störungen, Überforderung mit der Familie und neurotischen Krankheiten. Auch die jüngsten Fälle in Sachsen und Schleswig-Holstein lassen sich Experten zufolge vermutlich nur durch schwer gestörte Psychen der Mütter erklären.

Massive psychische Störungen, Überforderung mit der Familie und neurotische Krankheiten sind die häufigsten Ursachen für Kindstötungen. Zu diesem Ergebnis kommt der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover, Christian Pfeiffer. Dem Kriminologen zufolge werden in Deutschland jedes Jahr etwa 100 Kinder getötet, die das siebte Lebensjahr noch nicht erreicht hatten.

Nach Ansicht des Wiesbadener Kriminalpsychologen Rudolf Egg gehen auch die jüngsten Kindstötungen in Schleswig-Holstein und Sachsen auf schwere psychische Störungen der Mütter zurück. "Der Versuch, das normalpsychologisch zu erklären, scheitert", so Egg.

Manchmal blieben die Tatmotive gar für immer unergründlich: "Bei endogenen Psychosen beispielsweise kennt man die Ursachen eben gerade nicht." Endogene Psychosen zählen zu den seelisch bedingten Geisteskrankheiten.

Anders als im Fall der kleinen Lea-Sophie aus Schwerin, die an Unterernährung gestorben war, hätten die Fälle der fünf getöteten Brüder in Darry und der drei toten Babys in Plauen aber nur wenig mit Vernachlässigung zu tun. "Auch eine gewisse Instabilität in der Lebensführung reicht als Erklärungsversuch bei weitem nicht aus", betonte Egg.

"Es gibt einfach Dinge, die brechen von einem Moment auf den anderen durch, ohne dass man das noch vernünftig erklären kann. Es ist eben nicht nur nicht vernünftig, sondern Ausdruck einer Krankheit", erklärt der Kriminalpsychologe.

Bei den getöteten Babys in Sachsen irritiere die bizarre, symbolhaft beschützende "Form der Bestattung", so der Kriminalpsychologe. Eines der Babys war in Plastikfolie eingewickelt in einem Koffer im Keller von Verwandten versteckt worden. Die beiden anderen Baby-Leichen fanden sich in einer Tiefkühltruhe und auf einem Balkon in einem Haus, in dem die Mutter nicht wohnte.

Dies habe mit einem typischen Fall einer Kindstötung wenig zu tun, sagte Egg. "Das sind in der Regel Fälle von sehr jungen, ängstlichen, entscheidungsschwachen Frauen, die einmalig in eine Krisensituation kommen, wo sie niemanden haben, der ihnen schon lange vorher hätte helfen können", betonte der Psychologe. Gleich drei solcher Taten und die "eigenartige Bestattung" dazu, ließen hingegen ein Muster in der Person vermuten, "hinter dem noch etwas anderes steckt". Was genau, müsse in den Kliniken geklärt werden.

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dpa
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