Modern Talking:Das Geheimnis der Cheri Cheri Lady

Nino de Angelo ist nicht die Stimme von Modern-Talking-Sänger Thomas Anders - aber vielleicht die von Dieter Bohlen.

Von Dirk Peitz

Es sei eine ziemlich komplizierte Geschichte, sagt Tilo Gerlach. Gerlach ist Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), und deren Aufgabe genau zu verstehen, ist für sich genommen schon ziemlich kompliziert. Um es grob zu vereinfachen: Die GVL, eine GmbH mit den Gesellschaftern Deutsche Orchestervereinigung und Vereinigung der deutschen Plattenindustrie, zahlt Musikern einen Aufschlag auf ihre Honorare, die sie für ihr Mitwirken an später veröffentlichten Tonträgern erhalten haben.

Dafür müssen die Musiker einfach eine Rechnung über ihre Musikerdienste vorlegen, die bestätigt, dass sie im Studio zum Beispiel ein paar Akkorde auf der Gitarre gezupft haben. Oder ein paar Töne gesungen haben. Und genau an diesem Punkt wird diese Geschichte hier erst richtig kompliziert. Begonnen hat sie am vergangenen Sonntag. Da wurde in Bild am Sonntag der Schlagersänger Nino de Angelo mit den Worten zitiert, er sei "die wahre Stimme von Modern Talking".

Nino de Angelo und die Toningenieure

Ohne ihn, so de Angelo, hätte es die letzten drei Alben des im vergangenen Jahr mal wieder aufgelösten Popduos nie gegeben. Dessen Sänger Thomas Anders sei zuletzt für die Aufnahmen an Modern-Talking-Alben meist nur für einen Tag ins Studio gekommen: "Er sang ein bisschen und verschwand wieder." Anders' stimmliche Möglichkeiten, so de Angelo, seien begrenzt - "den Rest der Arbeit erledigten ich und die Toningenieure".

Deshalb, hieß es in der BamS, habe die GVL nun ein Prüfverfahren eingeleitet. Das solle klären, wer denn nun bei Modern Talking gesungen habe, und ob die GVL womöglich an den falschen Sänger Honorare überwiesen habe.

Das aber ist nur ein Teil dieser komplizierten Geschichte. Denn tatsächlich ist die Causa Anders, sagt Gerlach, nur ein zwischenzeitlich aufgetauchter Nebenaspekt in dem eigentlichen Prüfverfahren. Mittlerweile ist dieses Detail geklärt: Thomas Anders, das habe die GVL nun noch einmal beim Befragen der Beteiligten festgestellt, sei Sänger von Modern Talking gewesen. Dass dessen Stimme gleichsam nachveredelt wurde, indem man sie im Computer bearbeitete, ist seit langem Usus in der Musikbranche. Kaum ein Gesang klingt en nature so formvollendet, dass man ihn nicht noch technisch verschönern könnte.

Das Geheimnis der Cheri Cheri Lady

Und eigentlich ging es bei den Studioeinsätzen des "Jenseits von Eden"-Sängers ohnehin nie um Anders' Part: De Angelo, bestätigt dessen Management entsprechende Gerüchte, sang den von Bohlen. Abgesehen davon, dass de Angelo einen hübschen Einblick in die Branche gewährte: Wenn es mit der eigenen Karriere mal nicht so läuft, kann man sich wenigstens bei Dieter Bohlen noch ein paar Euro nebenher verdienen.

Gegen den richte sich auch das eigentliche Prüfverfahren der GVL, so deren Geschäftsführer Gerlach. Man gehe der Frage nach, ob an den "Pop-Titan" (Bild) von der GVL womöglich zu viel überwiesen wurde. Auslöser für die Untersuchung waren bislang unwidersprochene Äußerungen des Bohlen in inniger Feindschaft verbundenen Produzentenkollegen Frank Farian. In seinem Buch "Stupid dieser Bohlen" zählt Farian diverse Sänger auf, die angeblich für Modern Talking tätig waren - in der Liste taucht Anders auf. Wer aber fehlt, ist der stets als Falsett-Zweitstimme des Duos aufgetretene Bohlen.

Farian gegen den Pop-Titan

Ihm schreibt Farian, der als Erfinder der Fake-Popgruppe Milli Vanilli und einst geheime männliche Stimme von Boney M. selbst über Erfahrungen im Vortäuschen falscher musikalischer Tatsachen verfügt, zudem einen viel geringeren Anteil an dessen Produktionen zu, als bisher bekannt: Bohlen lasse einen ganzen Mitarbeiterstab für sich die Studioarbeit erledigen.

Nun wird bei der GVL untersucht, welche Rolle der bei ihr unter anderem als Produzent, Musiker und Co-Sänger von Modern Talking geführte Bohlen tatsächlich hatte. Es geht dabei um die Frage, ob Bohlen überhöhte Zahlungen kassiert hat, die eigentlich andere Beteiligte hätten beantragen können, so Geschäftsführer Tilo Gerlach. Der Fall Anders ist im Gegensatz dazu abgeschlossenen, er muss von der GVL keine Rückforderungen erwarten.

Und während Dieter Bohlen sich zu alldem nicht äußern mag, sagte Thomas Anders am Freitag der SZ, ihn habe die Aufregung ohnehin verwundert. De Angelo habe sich bei ihm längst entschuldigt, seine Aussagen seien falsch interpretiert worden.

Bei der Aufklärung um die Rolle seines Exkollegen Bohlen indes kann Anders nicht behilflich sein: "Ich war ja zuletzt wirklich nur noch einen Tag pro Album im Studio, was mir damals als Professionalität ausgelegt wurde - keine Ahnung, was Dieter Bohlen den Rest der Zeit dort gemacht hat."

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