Mode:Käufliche Kleiderständer

89th Academy Awards - Oscars Awards Show

Wer trägt was, und vor allem, von wem? Auch darum geht es bei der Oscar-Verleihung, hier präsentiert sich Meryl Streep den Kollegen.

(Foto: Lucy Nicholson/Reuters)

Wird das Designerkleid von einem Promi über den roten Teppich getragen, ist das werbewirksamer als eine Anzeige in der "Vogue". Das war bisher ein gut gehütetes Geheimnis der Branche. Dumm nur, dass jetzt Karl Lagerfeld und Meryl Streep öffentlich darüber streiten.

Von Silke Wichert

Die Oscar-Verleihung ist jetzt schon wieder drei Tage alt, aber über die Sache mit Lagerfeld und Streep ist noch zu reden.

Neben Filmen geht es bei dieser Veranstaltung ja immer auch um Mode, und mit besonderer Spannung war diesmal erwartet worden, welches Designerlabel Meryl Streep denn nun tragen würde (Elie Saab, aber das nur nebenbei). Chanel wurde es bekanntlich nicht, wie die halbe Welt bereits vorher wusste - weil Karl Lagerfeld ausgeplaudert hatte, dass die Anfrage für ein Kleid von der betreuenden Stylistin abgesagt worden sei. Begründung: Sie hätten eine andere Marke gefunden, die sie fürs Tragen bezahle, was Lagerfeld zur Bemerkung hinreißen ließ: "Hervorragende Schauspielerin, aber auch ein bisschen billig, nicht wahr?"

Meryl Streep ließ umgehend dementieren, sie fordert von Lagerfeld noch immer eine ordentliche Entschuldigung. Der hatte bisher lediglich verlauten lassen, es habe da offensichtlich ein Missverständnis gegeben.

Wie es wirklich gewesen ist? Wird man nie erfahren. Über Geld spricht man bei den Oscars eigentlich nicht. Keine hochklassige Darstellerin will als käuflicher Kleiderständer dastehen. Auch die Firmen bevorzugen, wenn alle Welt glaubt, ein Hollywoodstar habe ihre Robe einzig und allein deshalb gewählt, weil sie schier umwerfende Kleider machen. Damit danach alle in die Läden rennen und etwas Ähnliches kaufen. Oder zumindest einen Gürtel. Oder wenigstens ein Parfum. Was hinter den Kulissen wirklich abläuft, wird unter den roten Teppich gekehrt.

Aber gelegentlich redet natürlich doch mal einer. So wie die Stylistin Jessica Paster, die bereits mit Cate Blanchett oder Sandra Bullock arbeitete, und bei einer Podiumsdiskussion 2015 vorrechnete: "Manchmal wird nur der Stylist bezahlt und bekommt irgendwas zwischen 30 000 und 50 000 Dollar. Oder die Schauspielerin wird bezahlt und kriegt zwischen 100 000 und 250 000 Dollar." Kleider, Schuhe, Schmuck - kann alles von den Modelabels platziert werden.

Auch in Deutschland werden längst kleinere Summen gezahlt, sagen Stylisten, allerdings eher von kommerziellen Marken. Internationale Designer stellen deutschen Schauspielern allenfalls ein Kleid kostenlos zur Verfügung oder überlassen es ihnen im Anschluss an einen Auftritt. Nicht ganz die Liga von Gwyneth Paltrow, die bei den Oscars 2012 angeblich eine Million für das Tragen eines Armbands von einem Schmucklabel bekam. Was sei schon dabei?, sagt Jessica Paster. "Wenn ein Kleid toll aussieht, und wir es sowieso nehmen würden, warum dann nicht kassieren?"

Üblich sind Langzeitbindungen: Sie sind der Bausparvertrag unter den Hollywood-Deals

Das Geld ist gut investiert. Die Bilder der Schauspielerinnen mit freundlicher Nennung des zuständigen Designers gehen tagelang um die ganze Welt. Großaufnahme, Nahaufnahme, jeder Ohrstecker wird in die Kameras gehalten. So viele Anzeigen kann man gar nicht schalten, was das wert ist, nicht einmal in der Vogue.

Weil Schauspielerinnen aber wankelmütige Wesen sind und bei Handgeld üblicherweise keine schriftlichen Verträge gemacht werden, sind in den letzten Jahren viele Labels zu "Langzeitbindungen" mit Schauspielerinnen übergegangen, so etwas wie der Bausparvertrag unter den Hollywood-Deals. Kein Zufall also, dass Michelle Williams fast ausschließlich Louis Vuitton trägt oder Jennifer Lawrence und Charlize Theron bei Auftritten fast immer Dior wählen. Sie haben ohnehin Werbeverträge mit diesen Häusern, gewisse Teppich-Auftritte, so heißt es, werden mitverhandelt.

Auch die Botschafterinnen von Chanel treten häufig entsprechend auf, ansonsten verfolge das Haus aber eine klare "no pay"-Strategie. Generell lautet die Faustregel: Je begehrter ein Designer, desto weniger hat er es nötig, jemanden zu bezahlen. Umgekehrt galt bislang genauso: Je hochklassiger die Schauspielerin, desto weniger käuflich. Der Modeschöpfer Valentino erklärte einmal, bestimmte Stars seien regelrecht beleidigt, wenn man ihnen Geld anbieten würde. Überflüssig zu erwähnen, wo Meryl Streep sich verortet.

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