Bruno geht jetzt an eine andere Schule. Nicht, weil er das wollte. Sondern weil er an seiner alten Berliner Schule gemobbt wurde - weil er Jude ist.
Ein lauer Spätsommerabend bei Brunos Familie in Berlin-Mitte. Der 15-Jährige, der anders heißt, aber anonym bleiben möchte, ist müde. Die vergangenen Wochen waren anstrengend. Inzwischen gehe es ihm aber gut, sagt Bruno. Er sei von einem Gefühl erfüllt, das ihm an seiner alten Schule abhandengekommen war: "Ich fühle mich jetzt wieder sicher."
Über Monate hinweg war Bruno an der prestigeträchtigen deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-Schule (JFKS) in Berlin gepiesackt, gemobbt und eingeschüchtert worden. Schüler hatten ihm antisemitische Witze erzählt, ihm Hakenkreuzzettel zugesteckt, Dampf einer E-Zigarette ins Gesicht geblasen mit dem Satz, der Rauch solle ihn an seine vergasten Verwandten erinnern. In seine Baseballkappe hatte jemand ein Hakenkreuz gemalt. Immer wieder hatten Mitschüler gelästert über Brunos Aussehen und ihm homophobe Bemerkungen zugerufen. Besonders zwei Schüler hatten ihn heftig gemobbt.
Als sein Fall Ende Juni an die Öffentlichkeit gelangte, wurde er zum Symbol: Dafür, wie alltäglich antisemitisches und homophobes Mobbing an deutschen Schulen ist. Und dass es nicht nur an sozialen Brennpunkten stattfindet, sondern auch an den besten Adressen.
Die beiden Haupttäter mussten die Schule verlassen. Schülerinnen und Schüler der JFKS sollen der Berliner Bildungsverwaltung zufolge an Workshops über Antisemitismus teilnehmen, das Lehrerkollegium wird in Sachen Diskriminierung geschult. Beendet ist die Sache damit aber wohl nicht. Denn Brunos Geschichte steht auch dafür, wie schlecht viele Schulen auf antisemitische Vorfälle vorbereitet sind.
Anfang September stellte die Schulaufsicht, die den Fall untersucht hat, der JFKS ein schlechtes Zeugnis aus. Die Taten seien nicht nur unterschätzt, sondern erst gar nicht gemeldet worden, so die zuständige Dienststellenleiterin. Und das, obwohl es eine Meldepflicht für verfassungsfeindliche Äußerungen gibt, zu denen antisemitische Beleidigungen gehören. Auch habe die Schulleitung den Eltern kein Gehör verschafft. Als diese das Mobbing meldeten, wurde ihnen ein Gesprächstermin für eine Woche später angeboten. Und bis der Schulleiter endlich Meldung und Anzeige erstattete, vergingen zehn Tage, sodass die Eltern sich an die Antidiskriminierungsbeauftragte des Berliner Senats wenden mussten.
Massive Kritik am Umgang der Schule mit dem Fall hat auch die Direktorin des Berliner Büros des American Jewish Committee (AJC) geübt. Die Schule habe die Probleme verharmlost und nicht mit dem nötigen Nachdruck versucht, aufzuklären, erklärte Deidre Berger. Monatelang hat Bruno unter dem Mobbing gelitten. Oft konnte er nachts nicht schlafen, nach einem Zusammenbruch im Unterricht Ende Mai schickten ihn seine Eltern zu einer Jugendpsychiaterin. Sie half Bruno, zurück in den Alltag zu finden.
An seine alte Schule wollte Bruno aber auf keinen Fall zurück. Wenn man mit Brunos Eltern, einem deutsch-amerikanischen Ehepaar, spricht, wird klar, warum. "Eine Schule, deren Leitung über Tage und Wochen das Ausmaß des Mobbings verkannt hat, kann kein Ort sein, der unserem Sohn Schutz bietet", sagt die Mutter.