Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Zaubertrank gefällig?

Eine SZ-Autorin ist coronapositiv, muss aber dringend einen Einkauf erledigen. Gut, dass die Gemüsefrau ein Wundermittel parat hat. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... München

Klaglos geht man nach dem positiven PCR-Test in Quarantäne, man will ja niemanden mit dem Coronavirus anstecken. Ein solch leichter Verlauf ist jedem nur zu wünschen, arbeiten geht auch von daheim aus, nur der Gang zum Supermarkt - zu Lockdown-Zeiten der tägliche Höhepunkt - wird schmerzlich vermisst. Den ersten anstehenden Einkauf übernehmen netterweise die Nachbarn, dann fahren sie in die Ferien. Als wieder ein paar Kleinigkeiten fehlen, bleibt nichts anderes übrig: Man stellt sich vor seinen Stammladen, ruft "Wir sind positiv" durch die Tür und hofft auf Entgegenkommen. Die Gemüsefrau fasst sich ein Herz, setzt ihre Maske auf und bedient und kassiert vor dem Laden. Zum Abschied legt sie noch ein Stück Ingwer zu den Einkäufen und empfiehlt ihn zusammen mit Zitronen als altes, hausbewährtes Rezept gegen Corona. Katalin Molnár

Mitten in... Nizwa

Einst wurden Angreifer hier mit siedendem Dattelsirup überschüttet oder in Fallgruben gelockt, so nicht schon die Kanonen auf dem Turm den Feind vernichtet hatten. Heute geleitet man Touristen aus aller Welt freundlich durch die eindrucksvolle Festung der Oasenstadt Nizwa am Rande des Hadschar-Gebirges in Oman. Auf Englisch erklärt die Museumsführerin die Geschichte des Forts, und in einem Raum mit altem Schreibgerät bietet sie den Besuchern an, deren Vornamen in arabischer Kalligrafie aufzuschreiben. Ein Staś aus Polen meldet sich, Gregorio aus Italien, die Französin Florence, die Inderin Shanti, alle erhalten ihre Namen in arabischer Schönschrift, Tusche auf gelbem Papier. Dann ist ein Spanier an der Reihe. "Ich heiße Jesús", ruft er der Schreiberin zu. "Oh", antwortet sie und hält die Feder verblüfft in der Schwebe: "Das ist ein neuer Name." Andrea Bachstein

Mitten in ... Ingolstadt

"Falls sich ein Arzt an Bord befindet, bitte kommen Sie in Waggon zwei. Oder drei. Ich habe den Überblick verloren." Der eingeklemmte Fingernagel des wimmernden Jungen färbt sich schon blau. Am anderen Ende des Wagens ist die Stimmung besser, dort laufen letzte akustische und alkoholische Vorbereitungen für einen Volksfestbesuch: "Eins, zwo - uzz, uzz, uzz", der ganze Zug hört mit. Um den verletzten Jungen hat sich schnell eine kleine Gruppe mit unterschiedlicher medizinischer Vorbildung versammelt. Der Schaffner möchte ein Pflaster verschreiben, ein volltätowierter Arzt plädiert für Krankenhaus. "Mach mal 'Layla' an!", kreischt es von hinten. Mittendrin sitzt eine Frau und scrollt durch einen Telegram-Kanal mit Verschwörungstheorien. Deutschland, von einem Stehplatz im Regionalzug zwischen München und Nürnberg aus gesehen. Nicolas Freund

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