Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Berlin Calling

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Ein SZ-Redakteur wird in München zum Osteopathen geschickt, landet aber plötzlich in einem Berliner Stadtteil. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Traunstein

Man ist gut vorbereitet auf die Wien-Fahrt, frische Masken dabei, Impfpass eh. Vorher noch eine Limo, ist ja noch Zeit, bis der Zug fährt. Blick ins Handy, Schreckmoment: Bei digitalem Hotel-Check-in ist ein digitaler Corona-Test nötig. Also schnell noch zur Teststation, zum Glück keine Schlange. Am Schalter zückt eine ältere Dame das Wattestäbchen: "Rachen oder Nase?" Rachen, weil der Riecher supersensibel und eine Niesattacke garantiert ist, dazu das Nasenblutrisiko. Sie streicht im Mund ab und fragt: "Haben Sie eben etwas getrunken oder gegessen?" Prüfender Blick. Oha, Limo! Das Stäbchen landet im Abfall. Neues Stäbchen, diesmal Nasenlöcher, links gedreht, rechts gedreht. Immense Niesattacke, kein Blut, einige Tränen. "Ich habe einen Mann zum Weinen gebracht", sagt die Frau lächelnd, "das ist mir lange nicht mehr passiert." Oliver Das Gupta

Mitten in ... München

Eigentlich war man wegen einer Home-Office-Krankheit zum Osteopathen gekommen. Sulcus-Ulnaris-Syndrom, ein eingeklemmter Ellenbogennerv, manchmal taube Finger. Drei Behandlungen, bezahlt von der Krankenkasse. Die Praxis sieht aus wie ein Sportstudio, Geräte und Matten, der Website zufolge überhaupt nicht esoterisch angehaucht, gut so. Doch der Therapeut sagt, die Schmerzen in Ellenbogen und Finger seien nur Symptom eines größeren Problems. Man müsse größer denken (immerhin sagt er nicht: ganzheitlich). Trainieren, trainieren, trainieren, mehr Beweglichkeit, weniger Bierchen. Der Mann kommt aus Berlin, alle Behandlungsräume sind nach Berliner Stadtteilen benannt, im Behandlungsraum läuft Berghain-Techno. Doch faul wie man ist, denkt man erst mal an das Lied der Chemnitzer Band Kraftklub: "Ich will nicht nach Berlin". Oliver Klasen

Mitten in ... Montecarotto

Viel steht nicht auf der Einkaufsliste, Milch, Tomaten, also kurz rein in den kleinen Supermarkt. Ins Dunkle. Ach, Sonnenbrille vergessen, wobei, auch ohne Sonnenbrille ist es ganz schön schummrig. Nun ja, da will jemand wohl Strom sparen. Der ältere Signore grüßt freundlich. Er steht allein bei den Kassen, sonst ist alles leer. Schnell durch die Gänge, da ist das Kühlregal, komisch aber, es wird von einer Art Rollo verschlossen. Der Signore kommt, steckt einen Schlüssel in die Seite, lässt das Rollo hochfahren, grazie. Nur noch eben Kekse mitnehmen, dann zahlen. Der Signore setzt sich an die Kasse, tippt, fünf Euro sechzig. Und bitte, con calma, keine Eile. Wieder draußen, ein Blick auf die Öffnungszeiten. Der Supermarkt hat seit mehr als zehn Minuten geschlossen. Mittagspause, mal wieder vergessen. Der Signore winkt durch die Schiebetür. Elisa Britzelmeier

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