SZ-Kolumne "Mitten in ...":Sitz! Platz!

Seine Mitreisenden kann man sich nicht aussuchen, denkt sich ein SZ-Redakteur im Zug nach Budapest, als er sich plötzlich einer Bestie gegenübersieht. Drei Eisenbahn-Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... Wien

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

Im Zug nach Budapest, man sitzt mit dem Mitreisenden im Abteil, keine Zwischenfälle, eine Fahrt nach Plan. Bis man in Wien umsteigt. Gerade hatte man noch über den größer werdenden Hunger gesprochen, hatte sinniert über das Essen, das einen bei der Ankunft erwartet, und weil der Mensch auch in der Fremde das Vertraute sucht, hatte man beschlossen, als Erstes ein Gulasch zu essen. Ein Jammer nur, dass es noch dauert, bis es dampfend vor einem stehen wird. Also umsteigen, Wien, man findet das reservierte Abteil. Dann sitzt in dem Abteil aber ein Mann und neben dem Mann ein Hund. Kalbsgroß, Zähne wie Schwerter und die Schnauze in einem viel zu windigen Maulkorb. Man schaut den Hund an, schaut den Mitreisenden an, und schlagartig wird einem klar: Wenn's blöd läuft, gibt es das Gulasch schneller als gedacht. Josef Wirnshofer

Mitten in ... Erlangen

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

Als am Abend im Eilzug von Erfurt nach München die Stimme aus dem Lautsprecher "Personen im Gleis" vermeldet, da scheint der Handlungsspielraum klar zu sein: stoisch hinnehmen. Oder halt mosern, gern sehr laut auf Twitter. Doch es kommt völlig anders, denn der ICE hält außerplanmäßig in Erlangen, am östlichsten Gleis. Der Lokführer öffnet dankenswerterweise die Türen, wer weiß schon, wie lange die Personen im Gleis sind. Leise Elektromusik ist zu hören, neben dem Bahnsteig liegt ein kleiner Biergarten mit DJ. Nach ein paar Augenblicken beugt sich der erste Passagier über das Geländer, fragt, ob er ein Bier bekommen könne. Klar! Wenige Minuten später haben die Leute vom "Transfer Club" ihre Kasse an den Bahnsteig verlegt, teilen Ingwerschnaps aus, Cola, Eistee, Helles. Die Stimmung ist ausgezeichnet und Kartenzahlung auch möglich. Max Hägler

Mitten in ... Friedrichshafen

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

Im Neun-Euro-Land will eine längere Bahnfahrt im Regionalzug strategisch geplant sein. Gut, die Basics hat man im Rucksack: Proviant (weil kein Bistro), Powerbank (weil keine Steckdosen), Kopfhörer (weil sangesfreudige Mitreisende). Als Gruppe - auch das lernt man schnell - entert man den Waggon am besten von beiden Seiten und schreit quer über die Sitzreihen: "Ich hab' den Vierer." Aber die ganz hohe Kunst des Bahnreisens, die ist zu beobachten an einem heißen Samstag in einem Regionalexpress Richtung Bodensee. Verschwitzt schiebt man sich kurz vor Friedrichshafen zum Ausgang, ein schneller Blick noch in die obere Etage des Doppelstockwagens: Da sitzt dort doch tatsächlich ein Mitreisender im mitgebrachten Campingstuhl. Ein entspanntes Lächeln umspielt seine Lippen, die Botschaft ist eindeutig: "Seht her, ich weiß, wie's geht." Eva Dignös

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