Mitten in … Troyes
Mit dem Taxi durch Troyes, um das reparierte eigene Auto aus der Werkstatt auszulösen. Der junge, tätowiert-muskulöse Fahrer klemmt sein Handy an die Windschutzscheibe und startet ein Video. Damen drehen sich an einer Poledance-Stange. Öha! Er sei Schüler an einer School of Poledance, sagt der Taxler. Gestern erst hatten sie eine Aufführung. Das Thema: Movie. Ob man mal sehen möchte? Unbedingt! Im Handy läuft sein Solo angelehnt an den Film „Gladiator“. Stangentanz in voller Rüstung. Frenetischer Szenenapplaus von meiner Seite. Dann Auftritt: der Endgegner. Ein langsamer Schwertkampf, kling, klong. Sterbend gleitet unser Mann zu Boden. Seine Auferstehung ist ein Duett mit Partnerin zu „I Will Always Love You“. Schmachtendes Stangenkreiseln in Zeitlupe. Jubel auf dem Beifahrersitz. Bestes Bordprogramm für nur 20 Euro. Christian Jooß-Bernau

Mitten in … Starnberg
Der letzte Spätsommertag beginnt ruhig, kurz nach acht Uhr am langen Steg in Percha am Starnberger See. Die Sonne ist zwar aufgegangen, versteckt sich aber gerade hinter Wolken. Das stört ein Dutzend Frühschwimmerinnen und Frühschwimmer nicht. Das Thermometer, das im Wasser baumelt, zeigt an die 20 Grad, immerhin wärmer als die Morgenluft. Eine ältere Dame hat ihre Runde im See schon hinter sich, nun ist sie wieder in ihren Bademantel gehüllt und packt ihr Zeug zusammen. Beim Weggehen sagt sie zu einer anderen älteren Dame: „Wenn jetzt nicht eine Sahara-Hitzewelle kommt, sehen wir uns wieder nächstes Jahr.“ Die andere antwortet: „Genau, frohe Weihnachten und gutes neues Jahr!“ An Ostern sei sie wieder da, schiebt sie hinterher. Das fällt 2026 auf den 5. April. Möge die Zeit bis dahin möglichst schnell vergehen. Martin Langeder

Mitten in … Palinuro
Eine Strandbar in Palinuro, südliches Kampanien. Am frühen Nachmittag gilt es, caffè zu holen für alle. Die Bestellung gelingt mit dem gestöpselten A2-Italienisch erstaunlich gut, auch die Rückfrage, ob man Zucker wolle, pariere ich souverän. Aber während die Espressi durchlaufen, wird klar: Für den Transport braucht es ein Tablett – ein Wort, das einem niemand beibringt. Jetzt auf Englisch auszuweichen, ist nicht mehr möglich. Man hat schließlich mit gerolltem R und lang gezogenen Vokalen dem Barmann ein Italienisch auf Muttersprachniveau vorgelogen. Also schnell das Übersetzungsprogramm öffnen. Als ich mit meiner Frage nach dem Tablett ansetzen will, komme ich mit dem Finger auf die Lautsprecher-Taste, und die Automatenstimme liest das Wort „vassoio“ vor, ohne „per favore“. Überrascht schaut der Barmann hoch und stellt wortlos das Tablett auf den Tresen. Leopold Zaak
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