SZ-Kolumne "Mitten in ...":Sehr geehrte Idioten!

In der U-Bahn im sonst so braven Singapur fällt der Blick der SZ-Autorin auf ein Buch mit provokantem Titel. Doch als sie es sich kauft, ist die Überraschung groß. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Singapur

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

In der saubersten U-Bahn der Welt zwischen Jurong East und Boon Lay. Wie immer starren neun von zehn Leuten in ihre Smartphones, wahlweise Tablets. Nur eine junge Singapurerin verschlingt ihr Buch mit dem Titel "Surrounded by Idiots" (deutscher Titel: Alles Idioten?!). Ganz schön frech, denkt sich die interessierte Beobachterin, zumal in einem Land, in dem Individualität nicht unbedingt großgeschrieben wird und es fast niemand wagt, öffentlich Kritik zu üben. Oder gar aus der Rolle zu fallen. Am nächsten Tag wird das vermeintlich revolutionäre Buch bei Kinokunya, der größten Buchhandlung Singapurs, gekauft und sofort gelesen. Es stellt sich heraus, dass das Buch gar nicht die U-Bahn-Mitreisenden provozieren will, sondern ein Ratgeber ist, und zwar: wie man erfolgreich mit seinen Mitmenschen kommuniziert. Susanne Perras

Mitten in ... München

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

Besuch im Münchner Lieblingslokal nach längerer Zeit. Die Freunde am Tisch sind leicht lädiert, dicke Zahnbacke, Pflaster unterm Auge. Der Wirt setzt sich dazu, sagt: "Wir sind alt." Er hat eine Herzoperation hinter sich. Neu ist: Alle Kellner, auch die Barfrau, sind auffallend jung, ebenso wie die Gäste einer großen Geburtstagsfeier. Es ist laut und lustig. Gegen 22 Uhr verabschiedet sich ein Teil des Personals. Zweitjob! So sagt der Wirt. In einem Club, die haben ja jetzt wieder auf, bis zum Morgen. Wir schauen uns an, fragen, wie halten die das durch? Der Wirt: "Das sind andere Zeiten, wir müssen das akzeptieren." Da steht einer auf vom Geburtstagstisch mit den jungen Leuten, ein langer Kerl, am Handgelenk eine Uhr, die jeden Herzschlag misst. Er beugt sich hinab zum Wirt und fragt: "Chef, was ist das eigentlich, das Leben?" Christiane Schlötzer

Mitten in ... Trins

SZ-Kolumne "Mitten in ...": Illustration: Marc Herold

Illustration: Marc Herold

Bei der Ankunft im Hotel Trinserhof in Trins in Tirol brennt sich das Angebot ein, das auf einer Schiefertafel am Eingang geschrieben steht: "Gebratener Saibling". Dieses Gericht materialisiert sich bis zum Abendessen deutlich vor meinem geistigen Auge. Die Kellnerin weist mich noch mal explizit auf den Fisch hin. Überraschenderweise bestelle ich dann den Saibling. Während ich also im Trinserhof in Trins auf mein Essen warte, überlege ich, ob meine Bestellung intrinsisch motiviert ist. Intrinsisch, das bedeutet: von innen her, aus eigenem Antrieb, nicht durch äußeren Zwang. Wurde ich durch das Schild, die Speisekarte und die Kellnerin nicht eher extrinsisch auf den Fisch gestoßen? "Hauptsache, es schmeckt", meint mein kluger Sohn, der Philosophie studiert hat. Und das ist ganz klar das Wichtigste beim intrinsischen Fischverzehr im Trinserhof in Trins. Titus Arnu

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