Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in":Ein Bad ohne Menge

In Island taucht aus dem Nichts eine Dusche auf, in München taucht aus dem Nichts ein Motivationskünstler auf, und in Rom taucht der Tourist allzu tief ins Gassengewirr ein.

Mitten in ... Island

Seit Tagen ziehen erstarrte Lavafelder am Autofenster vorbei, die Gletscher und Geröllhalden schimmern in allen erdenklichen Farben. Es wirkt, als wäre in Island die Palette zur Erschaffung der Welt gerade erst bereitgelegt worden. Dann, plötzlich, stehen auf einem Parkplatz neben der Straße eine laufende Dusche und ein Waschbecken. Wozu? Weit und breit nur Berge und Schwefelfelder zu sehen, kein Wanderpfad, keine Raststätte und schon gar kein Thermalbad, vor dessen Benutzung man sich abduschen könnte. Googeln bringt keine Erkenntnis, außer der, dass die Dusche existiert. Haben sich die Mitarbeiter des nahen Kraftwerks einen Scherz erlaubt? Eine Nachfrage ergibt: Mit der Dusche haben sie nichts zu tun. Oder ist das eine Kunstinstallation? Egal, ein Badezimmer am Straßenrand, ohne Dach und ohne Wände, passt ziemlich gut in diese urzeitliche Landschaft. Nicolas Freund

Mitten in ... München

Der Herbstmorgen ist grau und nass. Trotzdem: mit dem Fahrrad zur Arbeit. Corona, Klimakrise, frische Luft fürs Hirn - Gründe gibt's ja schließlich genug. Spaß macht es trotzdem nicht. Und so strampelt man mäßig motiviert vor sich hin, Blick gesenkt, Schultern hochgezogen, in einem kleinen Tross tropfender Köpfe die Isar entlang. Plötzlich steht da dieser Mann am Wegesrand. Die Hand winkend erhoben, dröhnt er grinsend mit Tour-de-France-Sportreporter-Stimme: "Jaaaa, und da kommen sie, da ist die nächste Verfolgergruppe ..." Die Wadenmuskulatur strafft sich, der Tritt in die Pedale wird fester, das Tempo steigt, zwei Kilometer pro Stunde mehr, mindestens, ganz ohne Doping. Schon ist der Vordermann überholt. Die letzten Kilometer ins Büro sind ein Klacks. Kann man diesen Motivationscoach für den nächsten Regentag irgendwo buchen? Eva Dignös

Mitten in ... Rom

Das Hotel ist eine kleine Oase im Stadtteil Trastevere. Aber die Idee, mit dem Mietwagen dort vorbeizufahren, um das Gepäck abzuladen und das Auto dann am Bahnhof zurückzugeben, ist idiotisch. Das Gassengewirr ist enger als die Auflösung des GPS, Einbahnstraßenschilder fehlen, und an jeder Kreuzung scheint eine Zona pedonale zu beginnen. Ein Nervenzusammenbruch droht. Plötzlich eine Piazza. Zwei Soldaten schieben Wache, das Gewehr geschultert. Einer zieht die Augenbrauen hoch, der Tourist hebt die Hände, Kapitulation. "Tut mir leid, ich will einfach nur hier raus." Man dürfe hier nicht fahren, sagt der Caporale. Doch statt eines Strafzettels zeigt er ein verschmitztes Lächeln. "Aber jetzt, wo Sie schon mal hier sind: Fahren Sie an der Kirche vorbei, dann scharf rechts. Das ist zwar alles Fußgängerzone, aber machen Sie schnell." Mille grazie, Caporale! Patrick Illinger

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