Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Mehr Schampus, bitte!

Auf Rhodos rekelt sich ein Klischee am Pool, in Bad Saulgau führen Klischees aufs falsche Klo, und in München offenbart sich: Das Klischee von Laptop und Lederhose stimmt höchstens zur Hälfte.

Mitten in ... Rhodos

Das britische Pärchen auf den Nebenliegen am Pool auf Rhodos erfüllt äußerlich ganz das Klischee. Sie: in den Dreißigern, spindeldürr, nur der Busen, die Lippen und die Mähne sind üppigst, Klamotten immer schick, sehr körperbewusst. Ständig formt sie die Haare zu neuen Kreationen, nebenbei wird das Personal mit Schaumweinbestellungen auf Trab gehalten. Er: wesentlich älter, etwa dreimal so schwer wie sie, die Muskeln haben den Kampf gegen den Bauch längst verloren, die Clubsandwiches, die man sich an die Liege servieren lässt, dürften ihr Übriges dazu tun. Für andere Gäste sind die beiden herrlich zu beobachten, alle Fantasien sprießen. Und dann erhascht man einen Blick auf ihr Handtäschchen, das sie sehr demonstrativ mit sich führt: "No pain, no champagne" steht darauf. Wenn das kein souveräner Umgang mit Klischees ist. Nina Bovensiepen

Mitten in ... Bad Saulgau

Wie markiert man, welches die Männer- und welches die Frauentoilette ist? Das Restaurant "Kostbar", Marktplatz 2, ist in einem Fachwerkhaus mit Glasfassade untergebracht, und auch beim Klo will es modern sein. Keine Piktogramme an den Eingängen, sondern: eine Fototapete mit 'nem nackten Mann auf der gesamten Fläche der einen Toilettentür; eine Tapete mit 'ner nackten Frau auf der anderen. Also die Tür mit dem nackten Mann aufgemacht; dahinter am Waschbecken steht: eine Frau. Schnell wieder raus, 'tschuldigung. Nebenan, bei der Tür mit der nackten Frau, drückt eine Frau die Klinke herunter; dahinter zu sehen: Männer am Pissoir. Wer denkt sich so etwas aus? "Die Idee ist: dahinein, wo es jedes Geschlecht hinzieht", sagt der Barmann. "Nächstes Mal wissen Sie es", sagt die Kellnerin. Aber das Essen war gut. Detlef Esslinger

Mitten in ... München

Ein Strafprozess am Münchner Landgericht, die beteiligten Anwälte sind unzufrieden, dass sie mit der Kammer altmodisch per Fax kommunizieren müssen. E-Mail? Oder sogar das E-Justiz-Portal - wie wär's damit? Puh, sagt die Vorsitzende Richterin, was darüber reinkomme, müsse man an einem anderen Gerichtsstandort ausdrucken und per Bote liefern lassen. "Sie denken: Bayern, das ist Laptop und Lederhose, aber leider nicht bei der Justiz!" Nächster Prozesstag, nächste Frage: Liegen denn die Akten nicht digital vor, sodass man bei Vorhalten an die Angeklagten und Zeugen die jeweilige Stelle gleich an die Wand beamen kann? In Thüringen sei das längst Standard. Geht in Bayern leider auch nicht. Das solle jetzt nicht zynisch klingen, sagt die Richterin, "aber wir haben hier doch diese wunderbaren Mehrfachsteckdosen". Claudio Catuogno

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