SZ-Kolumne „Mitten in …“Der tägliche Kartoffelberg

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Marc Herold)

Die SZ-Korrespondentin in Peking gerät an einen Taxifahrer, der recht merkwürdige Vorstellungen von Deutschland hat. Vor allem vom deutschen Essen. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in … Peking

Inmitten des Verkehrschaos wird der Taxifahrer gesprächig. Also aus Deutschland komme man? Ist das nicht das Land mit diesem Berg, wie hieß der noch mal? Ach genau, der Alpen-Berg! Einen ganzen Tag, das habe er gehört, könne man auf ihm verbringen und nie würde einem langweilig werden! Nur eine Sache, das müsse er jetzt wissen. Ob das mit den Kartoffeln auch stimme. In China gebe es die Knollen ja auch, er möge sie. In Streifen geschnitten, sauer-scharf angebraten, in einer Pfanne mit Paprika und Aubergine vermengt oder süßlich-würzig geschmort. Aber am Alpen-Berg, sagt er, essen sie ja jeden Tag Kartoffeln, schlicht gekocht, teils nicht mal halbiert. Es schüttelt ihn jetzt richtig. Mal zu diesem Alpen-Berg reisen, das wäre was. Aber jeden Tag Kartoffeln essen? So schön, er sieht fast traurig aus, kann kein Berg sein, um so etwas auf sich zu nehmen! Lea Sahay

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … Santa Maria di Leuca

Urlaub in Apulien? Schaut in Santa Maria di Leuca vorbei, empfiehlt ein Freund. Nicht wegen des schönen Strandes, sondern wegen des „Hundes, der rechnen kann“. Der was kann? Ja, er sei mal da gewesen und das Herrchen stelle Matheaufgaben und der Hund belle das Ergebnis. Tatsächlich lassen sich im Netz Videos finden. Das Herrchen sagt „Drei plus eins“ – der Hund bellt viermal. Der Mann firmiert da unter dem Namen „Lupo di Mare“, Seewolf. Sein „cane matematico“ heißt Dollaro, er beherrsche „alle Rechenoperationen“. Die Erwartung ist entsprechend groß. Angekommen an der Strandpromenade in Santa Maria die Leuca folgt die Enttäuschung: Erst sei der Hund verstorben, erzählt ein Wirt, dann im vergangenen Jahr sein Herrchen. Und tatsächlich findet sich im Netz ein berührender Nachruf: „Ciao Seewolf, Leuca ist jetzt ärmer.“ Georg Ismar

Mitten in … Berlin

(Foto: Marc Herold)

Die Hauptstadt platzt aus allen Nähten an diesen letzten warmen Spätsommertagen, dreieinhalb Millionen Berliner teilen ihre schönsten Sonnen- und Schattenplätze mit mindestens so vielen Touristen. Die Stadt vibriert, pulsiert, qualmt und dröhnt, und die Münchner Besucher wundern sich, wieso trotzdem überall fast mediterrane Gelassenheit herrscht. Wie machen sie das bloß? Am Hauptbahnhof wird man Zeuge, wie ein älteres Paar, Gesamtjahre bestimmt mindestens um die 110, auf der Zugtreppe Abschiedsküsse tauscht. Der Zugbegleiter steht daneben und will eigentlich schon zur Abfahrt pfeifen, lässt aber höflich den beiden noch einen Moment, denn, so sagt er, junge Liebe habe Vorfahrt. Noch ein letzter inniger Kuss, es pfeift, die Türen schließen und der IC fährt – pünktlich – ab. So machen sie das also in Berlin. Katalin Molnár

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