Mitten in ... Obergaimberg
Darf man das überhaupt noch, Anhalter mitnehmen, in diesen Zeiten? Aber sicher doch von diesem Bergdorf in Osttirol hinab ins Tal, wo nicht mal ein Bus fährt. Also, steig ein, armer, alter, zerbrechlicher Mann. Doch kaum sitzt er im Auto, geht eine Suada über die Frau im Allgemeinen und seine Angetraute im Speziellen nieder. "Blöde Weiber, ich sag's dir!" Dann schimpft er und flucht er, und dass man Frauen ohnehin nur noch für den Beischlaf benötige, wobei er für Beischlaf ein eher rüdes Wort verwendet. Was sich die Alte eigentlich einbilde, dass die ihm einfach ein Essen zubereite und ihn dann blöd anmache, wenn er was Besseres vorhabe. In der Natur, wo man seine Ruhe habe, da sei es eh am schönsten. "Mit der red' ich nimmer, wenn ich heimkomm." Dann steigt er aus, ohne ein einziges Mal über Corona, dieses alte Scheusal, gesprochen zu haben. Dominik Prantl
Mitten in ... Istanbul
Sonntags wollen alle raus aus Istanbul, dieser Riesenstadt. Auf der Rückfahrt sind die Straßen voll. Wir sitzen in einem Dolmus, einem Kleinbus, billiger Volkstransport. Plötzlich stoppt der Fahrer, schreit, steigt aus. Irgendwas ist mit dem Auto vor uns, auch dessen beleibter Fahrer ist ausgestiegen. Unser Fahrer ist ein Schmalhans, aber er schreit lauter. Immer mehr Leute steigen aus, beruhigen die beiden Streithähne. Weiter geht's. Nach ein paar Kilometern stoppt uns die Polizei. Der Dicke hat sich über "Beleidigungen" durch unseren Fahrer beschwert. Der ist sofort auf 180 und springt auf die Straße, Polizisten packen ihn. Da ruft einer aus unserem Minibus: "Ich bin Zeuge!", dann ein Zweiter: "Ich auch!" 14 zu eins, Solidarität Klein gegen Groß, Volk gegen Elite im Pkw. Der Dicke macht Handzeichen, schon gut ... Und wir fahren! Christiane Schlötzer
Mitten in ... München
Die Praxisgemeinschaft ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene da, es war also nichts Ungewöhnliches, dass außer mir noch ein Junge im Wartezimmer saß, vielleicht zwölf Jahre alt. Es ging hektisch zu in der Praxis, meine eigentliche Ärztin war in Quarantäne, das ganze Personal wirkte gestresst. Eine andere Ärztin steckte jetzt den Kopf ins Wartezimmer und rief: "Der Marc!" Ich war erst ein bisschen irritiert, blieb aber sitzen. Aha, dachte ich, ein Kind, das so heißt wie ich. Das ist ja mal schön, mein Vorname steht schon seit sehr langer Zeit nicht mehr auf diesen jährlichen Sophie-Maximilian-Hitlisten. Im nächsten Moment fing die Ärztin an zu lachen. "Äh", sagte sie, "ich meine: der Herr Schürmann, bitte." Ich habe mich dann aber sehr bei ihr dafür bedankt, dass ich mich endlich mal wieder so richtig jung fühlen durfte. Marc Schürmann