Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Sounds of Silence

Das Kleinkind einer SZ-Redakteurin hat auf einer Zugfahrt einen kolossalen Wutanfall. Wie gut, dass ein Passagier genau das richtige Beruhigungsmittel im Gepäck hat. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... München

Im Zug vom Chiemsee nach München. Die Mutter ist müde, die Kinder dürfen mit dem Handy daddeln, die Zweijährige liebt es besonders. Kurz vor der Ankunft in München wird das Smartphone einkassiert. Großer Wutanfall des Kleinkinds. Alle Beruhigungsbemühungen scheitern, sie schreit und tobt und regt sich fürchterlich auf, währenddessen hektisches Sachen-Zusammenräumen. Plötzlich steht ein Mann mit Gitarre vor dem brüllenden Kleinkind und fängt an zu spielen. Das Kind hört auf zu schreien und spitzt die Ohren. Der Mann singt ein Lied. Beruhigte Fröhlichkeit im Abteil. Nach dem Schlussakkord setzt der Mann seine Gitarre ab, verbeugt sich vor dem besänftigten Kleinkind und bedankt sich auf Englisch dafür, dass das Mädchen ihn geweckt hat. Sonst hätte er, sagt er, seinen Ausstieg in München sicher verpasst. Vera Schroeder

Mitten in ... Berlin

Auf dem Rückweg vom französischen Lokal vermutet man nicht unbedingt, auf einen Autodieb zu treffen. Andererseits: Es ist spätabends und dies hier eine ruhige Wohnstraße. Und was fuchtelt der Mann da bei dem dunklen Mercedes rum? Seltsam nur, dass er einen plötzlich anspricht. Die Batterie seines Funkschlüssels sei leer. Ob man wisse, wie man den mechanischen Schlüssel rausbekomme. Zwei Handgriffe, draußen ist er. Nur: Er passt nicht. "Sicher, dass das Ihr Auto ist?", fragt man, halb "Tatort"-Kommissar, halb im Scherz. "Natürlich", sagt er. Ein neuer Versuch, vergebens. Da fällt einem etwas entfernt ein Auto mit eingeschaltetem Standlicht auf. "Ist das vielleicht Ihr's?" "Ach ja!" Auch der Funkschlüssel geht wieder. "War ein langer Tag", entschuldigt sich der Mann noch. Wie gut, denkt man sich, dass wenigstens aufs Autoschloss Verlass ist. Daniel Godeck

Mitten in ... Portland

"Lassen Sie sich von Ihren Sinnen in eine andere Welt entführen", steht am Eingang zum Japanischen Garten von Portland, Oregon. Und so geht es vorbei an Bäumen und Sträuchern in leuchtenden Herbstfarben. Steinelemente führen den Besucher auf Wegen, die absichtlich ungleichmäßig sind, "um zu erlauben, im Moment präsent zu sein", verheißt eine andere Tafel. Nur: Vom Sein am richtigen Ort steht nirgends was. Dass manche sich geografisch geirrt haben, fällt erst auf, als plötzlich eine deutsche Stimme ins Ohr dringt: "Ja, Herbert", sagt die Frau in ihr Mobiltelefon. "Bin in Portland. Nachmittags fahren wir weiter, in die Weingebiete, und bleiben da ein paar Nächte." Nach einer kurzen Pause spricht sie weiter: "Klar probieren wir auch, darum bleiben wir ja länger. Wenn schon in Portland, muss man ja wohl auch Portwein probieren." Claudia Koestler

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