Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Mitten in...":Vorsicht, glibberig!

In Scharbeutz fürchtet sich der Badegast vor Quallen, in der Starnberger Sauna schwitzt nur der kaltblütige Spekulant nicht und in München gibt es eine Geburtsanzeige in Großformat.

Mitten in ... Scharbeutz

Wer als Kind von einer Qualle genesselt wurde, wer also ein Quallengeplagter ist, begegnet dem Meer mit mittlerer Skepsis. Erst recht, wenn besonders viele dieser, na ja, Tiere gesichtet werden. Wie in diesem Jahr an der Ostsee. Der Hotelmann mag noch so oft sagen, die Ohrenquallen hier seien ungefährlich: Man läuft den Strand ab, läuft den Steg hinaus, kurzum, man inspiziert. Doch überall der gleiche Jammer. Das ganze schöne Meer verquallt. Man steht also am Ufer und sinniert. Wie gern man doch auf den Horizont zuschwömme. Die Sehnsucht wächst, bis man allem Getier zum Trotz ins Wasser geht. Schritt für Schritt, dabei immer das Umfeld im Auge, man ist ja nicht wahnsinnig. Nach ungefähr zehn Metern scheint die Gelegenheit da. Ein Ruck, man taucht unter - und flüchtet sofort zurück an Land. Das ganze schöne Meer zu kalt. Josef Wirnshofer

Mitten in ... Starnberg

Das Thermometer zeigt 86 Grad, als sich die Glastür der Starnberger Seesauna öffnet und ein Mann mit Zeitung eintritt. Ob er damit den Ofen anfeuern oder das Blatt als Fächer verwenden will? Seit Corona sind in Bayern ja nur noch Aufgüsse ohne Wedeln erlaubt. Stattdessen setzt er sich aufs Holz und beginnt, bei Temperaturen knapp unter dem Siedepunkt, zu lesen. Es ist nicht der erste kuriose Saunamoment: Einer drehte mal sein Radio in der Schwitzstube laut auf. Dann doch lieber das Rascheln der Zeitung. Der eigene Körper ist schon schweißgebadet, während der Mann weiter mit trockenen Fingern durchs Papier blättert. Als man aus den Augenwinkeln erkennt, dass er den Finanzteil studiert, ist alles klar: Nur einen kaltblütigen Spekulanten bringen weder Saunahitze noch die Kurse der Wirecard-Aktie ins Schwitzen. Thomas Balbierer

Mitten in ... München

Bald müsste es so weit sein, schon seit ein paar Tagen haben wir die Nachbarin mit ihrem dicken Bauch nicht mehr gesehen. Wir sitzen beim Abendessen und unterhalten uns darüber, ob das Baby vielleicht schon ... - als wir aus dem Treppenhaus plötzlich ein zaghaftes Krähen hören. Ah, offenbar richtig geraten! Am nächsten Morgen ein Blick aus dem Wohnzimmerfenster. Auf dem Bürgersteig auf der anderen Straßenseite hat jemand mit Kreide in den buntesten Farben Blumen und einen großen Schriftzug hingemalt. Dort steht, ein bisschen krakelig, aber dennoch bestens erkennbar: "Herzlich willkommen, Ana-Marie!" Eine Geburtsanzeige im extragroßen Großformat. Zu diesem Zeitpunkt war die Sonne eigentlich schon eine ganze Weile aufgegangen. Aber es stellt sich das Gefühl ein: Jetzt ist der Tag noch heller. Mareen Linnartz

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