Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Paketshop-Odyssee

Ein SZ-Autor wartet auf ein Päckchen von seiner Tante aus den USA. Sieben Tage braucht es von Los Angeles nach irgendwo bei München. Und dann beginnt die Suche. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... München

Päckchen sind heutzutage ein Glücksspiel. Besonders dann, wenn sie von der Tante in Los Angeles kommen. Der Geburtstag rückt näher, von dem angekündigten Päckchen keine Spur. Dem Tracking der amerikanischen Post ist zu entnehmen, dass es am 29. Oktober um 11.12 Uhr in Marina del Rey aufgegeben wurde und am 4. November um 6.30 Uhr in Deutschland einen "Collection Point" erreichte. Nur - was verstehen die Amerikaner unter einem "Collection Point"? Eine Benachrichtigung des Zustellers gibt es nicht. Ist die Post am Bahnhof Pasing gemeint? Man solle beim "Postshop" auf der anderen Seite des Bahnhofs fragen, raten sie dort. Der Postshop schickt weiter, zur Post im fünf Kilometer entfernten Aubing. Da liegt das Päckchen tatsächlich. Zu zahlen sind außer 11,66 Euro Zoll noch sechs Euro "Auslagenpauschale". Ganz im Ernst. Nikolaus Piper

Mitten in ... Bad Langensalza

Wer auffallen will, kann bunte Kleidung tragen oder laut singen. Oder in Bad Langensalza ein Welterbeticket kaufen. Es gilt drei Tage und berechtigt zum Eintritt in die Wartburg und den Nationalpark Hainich sowie zu Fahrten mit dem Bus. Das Angebot des Tourismusverbands ist direkt bei den Busfahrern erhältlich. Sofern sie es kennen. Der erste muss lange in seinem Bordcomputer suchen. Der zweite glaubt, wir würden schwarzfahren. Am Morgen des dritten Tages das Wunder: Fahrer Nummer drei kennt das Ticket und nennt den Grund für seine Expertise: "Darüber haben wir uns schon unterhalten!" Wir sind Stadtgespräch! Der Chauffeur der letzten Fahrt will das Ticket gar nicht sehen, sondern sagt gleich: "Ach, Sie sind das! Setzen Sie sich einfach hin." Nicht nur das Ticket ist jetzt bekannt, sondern auch die seltsamen Touristen aus Bayern, die es gekauft haben. Ingrid Hügenell

Mitten in ... Posen

In Polen muss sich die katholische Kirche noch nicht darum sorgen, dass sich ihre Schäfchen verirren. Fünf Mal wird im Dom in Posen am Sonntag zur Messe geladen, und der riesige Backsteingotik-Bau ist voll. Der Bischof predigt, dann geht der Klingelbeutel rum. Drin klappern nur ein paar mickrige Ein-Złoty-Münzen. Ist nun Geiz die Gottesfurcht der Polen? Die Antwort auf die Frage steht in Form eines Geräts im Kirchenschiff. Es ist ein "Ofiaromat", also Opfer-o-mat. In einem Land, in dem selbst kleine Frytki-Buden nur ungern Bares akzeptieren, nehmen auch die Kassierer des Herrn Karte. Einfach per Knopfdruck eine Spende von 10, 20, 50 oder 100 Złotych, umgerechnet 21 Euro, am elektronischen Opferstock anmelden, Karte dranhalten, fertig. Die Gläubigen stehen Schlange, die Zahlung soll sich lohnen: "Bóg zapłaci", verheißt der Automat. Gott vergilt es. Jan Bielicki

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