Kolumne „Mitten in …“:Schluck!

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Marc Herold)

Ein SZ-Redakteur bekommt während einer Radtour durch die Lombardei einen Durst-Anfall. In seiner Not ist er kurz davor, Wasser aus einem Bach zu trinken. Ob das eine gute Idee ist? Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in … San Nazzaro

Grober Anfängerfehler, wenn man sich mit dem Rennrad durch italienische Berge müht: nur einen halben Liter Wasser dabeihaben und denken, man wird unterwegs schon was kaufen können. Lange, viel zu lange sind da nur Serpentinen, dann eine Reihe von Dörfern ohne Laden. Mit schweren Beinen weiterradelnd und dürstend erblickt man schließlich die Erlösung: ein Bächlein, das sich kristallklar den Hang hinabschlängelt. Absitzen, Flasche zücken – doch da naht ein annähernd zahnloser Mann und bedeutet mit Händen und Füßen, dieser klare Bach, das sei nichts. Das Wasser aus dem Hahn in seiner Garage sei viel besser. Er füllt eine Flasche; es schmeckt metallisch, chlorhaltig, einfach scheußlich. Aber man steht jetzt hier zusammen, lacht und drückt sich die Hände – und das ist dann doch mehr wert als wohlschmeckendes Wasser. Benedikt Peters

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … Fulda

Der Weg nach Afrika führt durch Mexiko hindurch, dann die Treppe hoch und links. Aber es geht auch anders. Man kann Japan einfach an sich vorbeiziehen lassen und irgendwo soll dann Indien kommen. Das versucht einem zumindest der Wegweiser im ziemlich global klingenden Wellness-Bad in Fulda glaubhaft zu machen. „Entschuldigung, geht’s hier nach Arabien?“ Ah, nur fürs Personal, ist klar. Vor die Erholung hat der liebe Gott halt die Orientierung gesetzt. Und die Bürokratie. Der Bezahlbeleg für die Peeling-Massage-Kombo ist irgendwo bei der Weltenbummelei verloren gegangen. Die nette Dame am Empfang hat ja gesagt, dass er wichtig sei. Es geht also geradewegs aus Asien raus – und durch die Umkleiden zum Startpunkt der Reise zurück, einen neuen Kassenzettel besorgen. Man ist eben doch noch im guten, alten Deutschland. Juri Auel

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … Memmingen

Mit Meckereien über die Bahn könnte man Folianten füllen. Doch es geht auch anders. Beim Einstieg in Memmingen in den RE 96 nach München findet sich zwischen Koffern und Menschen nur noch mit Mühe ein Klappsitzplätzchen neben einem Muskelmann im LeBron-Shirt. Alles schweigt. Mehr Leute drängen herein. Plötzlich winkt der Breitschultrige einen alten Herrn heran, bietet ihm seinen Platz an. Der sagt: „Den kriegt meine Frau, ich kann stehen.“ Das sieht eine etwa Fünfzigjährige anders, springt auf. Sofort will eine weitere Frau, gut 25 Jahre älter, ihrerseits einen Sitz freimachen. Ein munteres Gespräch kommt in Gang. „Hocken Sie sich hin!“ „Nein. Sie bleiben jetzt sitzen!“ Die Mittsiebzigerin gibt sich geschlagen, nicht ohne ein resolutes: „Aber dann wechseln wir uns ab!“ Das tun sie dann auch. Oh, wie schön kann Zugfahren sein! Michaela Pelz

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