Mitten in ... Kabul
Ein Imbiss in Kabul. Im Fenster hängen die Hammelhälften, der Chef sitzt auch im Fenster, auf einem mit Cord bezogenen Couchsessel. Er zerteilt mit dem Hackmesser das Fleisch auf dem Block. Auf dem Screen läuft ein Uralt-Kriegsfilm. Das Essen ist gut, aus dem Knochenkrachen im Fenster ist zu schließen, dass es genug für alle gibt. Dann kommt eine ältere Frau herein, einen Stapel Second-Hand-Bücher auf dem Arm: Wer in Kabul überleben will, muss sich etwas einfallen lassen. Auf Deutsch hat sie nichts, aber "Eat that frog!", ein altes US-Buch über Zeitmanagement. Einer dieser Sechser-im-Lotto-Ratgeber, Erfolg durch Disziplin und To-do-Listen. Der Frosch? Steht für das Zaudern bei Alltagsproblemen. Abends fange ich an zu lesen und hoffe, dass der Frosch morgens auf dem Nachttisch hockt und der Erfolg nach dem Zubeißen kommt. Tomas Avenarius
Mitten in ... St. Moritz
Um in St. Moritz cool zu wirken, muss man sich etwas Besonderes einfallen lassen. Skifahren kann ja jeder Depp! Zum Glück ist auf dem zugefrorenen See genug Platz für die Entfaltung snobistischer Hobbys wie Polo und Snowkiten. Oder Skijöring: Mutige lassen sich von Motorschlitten oder Rennpferden über die verschneite Eisfläche ziehen. Beim Gassigehen auf dem See begegnen wir Eisschnellläuferinnen und dem Besitzer eines Kampfhundes, der aussieht wie eine Kreuzung aus Schwein und Alligator. Und einem Mann mit Motorsäge. Was hat er bloß vor? Entschlossen marschiert er vom Ufer aus los, einen imaginären Punkt auf der weißen Ebene fest im Blick. Er wirft die Säge an, bückt sich - und schneidet konzentriert ein Quadrat ins Eis. Ist das Kunst? Oder eine Falle? Wie sich herausstellt, ist es ein Loch zum Eisbaden. Cooler geht's nicht. Titus Arnu
Mitten in ... München
Hinterhofflohmarkt in München-Giesing, ein paar Familien sitzen im Hof einer Elterninitiative hinter ihren Ständen voller Spielzeug und Kinderklamotten. Auf dem Gehsteig vor dem Hof ziehen Löwen-Fans vorbei, der TSV 1860 hat ein Heimspiel. Einer von ihnen - in ein blaues Trikot gewandet, eine Flasche Augustiner in der Hand - macht einen Abstecher in den Hof, sieht sich auf den Tischen um, interessiert sich schließlich für einen Spielzeugdackel zum Hinterherziehen. Die Verkäuferin verlangt fünf Euro. Der Löwen-Fan kramt den Geldbeutel hervor, sagt, "Ich geb dir zehn", und zieht mit dem Hund glücklich von dannen. Keine Minute später kommt ein Kind in den Hof gelaufen, es gehört zu einem der anderen Stände. In der Hand hält es: den Zehn-Euro-Dackel. Wo es den denn jetzt herhat? "Hat mir eben ein Mann geschenkt." Christian Helten