SZ-Kolumne "Mitten in ...":Home, sweet Oligarchen-Home

Lesezeit: 2 Min.

Bei einer Rucksacktour durch England begegnet eine SZ-Redakteurin einer Frau, die sich bestens auskennt in den Wohnzimmern der Reichsten. Drei Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... Hexham

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Vater, Mutter, zwei fast erwachsene Kinder unterwegs mit Rucksack in England. Wandern von Ort zu Ort, nichts als Wiesen und blökende Schafe, jede Nacht ein anderes Bett. "Warum tut ihr uns das an?", nörgeln die Jungen. Dann eine Unterkunft an der Straße nach Hexham. Außen alter Stein umgeben von einem riesigen Garten, innen versinken die Füße in Teppichen. Bücherrücken mit Goldprägung, chinesische Vasen, Wasser aus Kristallgläsern. In den Schlafzimmern hängen gerahmte Fotografien von Wohnräumen. Die Bilder sind so anders als das Interieur der Gastgeberin. Nanu, warum bloß? Oh, Darling, erklärt die Lady, ich habe die Häuser und Yachten der russischen Oligarchen in London eingerichtet. "No taste at all." Überhaupt keinen Geschmack. Oligarchen? Plötzlich sind die Kids hellwach. Auch das ist England. Sabine Buchwald

Mitten in ... Berlin

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

"Bibimbap", so könnte eine koreanische Band heißen, es ist aber ein Reisgericht. Das Mittagessen in einem koreanischen Imbissladen an der Dresdener Straße ist die Grundlage für einen langen Abend: Nick Cave spielt in der Waldbühne, es kann spät werden. Es wird dann ein emotionales Konzert, an dem Cave seine größten Songs wie ein Hohepriester vor 22 000 Gemeindemitgliedern zelebriert. Als es dunkel wird, sagt er den Titel "Mercy Seat" an: Dieses Lied habe er damals in der Dresdener Straße geschrieben, als er in den Achtzigern in Kreuzberg lebte. Schnell hat man im Netz recherchiert, wo genau Cave dort gewohnt hat: In einem Loft, Dresdener Straße 11. Genau dort befindet sich heute der koreanische Imbissladen vom Mittagessen. Bibimbap: Wäre das nicht ein guter Titel für eine Cave-Ballade, in der es um Kimchi, Kreuzberg und Karma geht? Titus Arnu

Mitten in ... Aix-en-Provence

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Parking Retonde ist das Parkhaus der Wahl in Aix-en-Provence, gleich beim Kreisverkehr, wo der Boulevard Cours Mirabeau beginnt. Der Mietwagen wird im Untergeschoss -4 abgestellt, nachdem man auf Umwegen die Einfahrt gefunden hatte und vorher fast einen Touristenbus gerammt hätte. Oben südfranzösischer Frühling. Man überlegt, ob trotzdem eine leichte Jacke angebracht wäre, da sieht man, dass nebenan im gelben Fahrzeug auf den Vordersitzen ein Mann und eine ältere Frau schlafen, vielleicht Mutter und Sohn. Für einen Moment starren sie ins Nichts, dann fallen ihre Augen wieder zu. Das Nummernschild ist aus der Ukraine, mit kyrillischen Buchstaben eines Autohauses aus Kiew, 2500 Kilometer entfernt. Zwei müde Menschen aus dem Krieg im Keller der Provence. Als man vom Stadtspaziergang zurückkommt, ist ihr Parkplatz leer. Peter Burghardt

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