Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Der Pilot mit dem Schraubenzieher

Der SZ-Afrika-Korrespondent besteigt in Benin City ein Flugzeug, in dem nur noch Beten hilft. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Benin City

Eigentlich wollte man nie wieder mit Arik Air fliegen, nachdem die nigerianische Fluglinie, die den europäischen Luftraum wegen diverser Ungereimtheiten gar nicht überfliegen darf, einen 2017 am Flughafen Accra stehen ließ und sich in den Bankrott verabschiedete. Jetzt ist Arik wieder da und stellt an diesem Morgen in Benin City den einzigen Flieger nach Lagos. Die Bordkarte wird mit der Hand geschrieben, weil offenbar der Strom ausgefallen ist. Das Flugzeug kommt viel zu spät, dann steht die kleine Maschine eine knappe Stunde auf der Startbahn, in der Kabine hat es etwa 50 Grad. Der Pilot werkelt mit einem Schraubenzieher am Sicherungskasten und telefoniert mit jemandem, der offenbar etwas von Flugzeugen versteht. Als die Maschine später tatsächlich in Lagos landet, bekreuzigen sich fast alle Passagiere. Vielleicht ist Nigeria deshalb ein so religiöses Land. Bernd Dörries

Mitten in ... München

Sonniger Tag, auf dem Weg in die Arbeit. Ein E-Bike-Rentner wartet neben mir an der Ampel auf Grün. Als die Kreuzung frei ist, radle ich über die noch rote Fußgängerampel los. Promptes lautes Geschrei von hinten: "Meine Dame: Es ist rot!!!" Noch schlimmer als Radelmotzer triggern mich Hilfspolizisten, weshalb ich routiniert und ebenso energisch meinen blöden Standardspruch für solche Fälle zurückrufe: "Und Sie sind also Polizist?" Nicht mehr zurückschauen. Durchatmen. Weiterradeln. Lange, gerade Straße leicht bergauf. Im Augenwinkel bald schon sichtbar: Das E-Bike holt auf. Zwei Minuten später spüre ich ihn im Nacken. Ganz eng überholt mich der Typ, dreht sich um - und lächelt so nett, wie es nur Rentner können. "Okay, guter Spruch, schönen Tag Ihnen", sagt der Mann und strampelt davon. Sonnigster Morgen seit Langem. Vera Schroeder

Mitten in ... Hannover

Umsteigen am Bahnhof von Hannover, der Wind pfeift ungemütlich, und es gießt in Strömen. Immerhin verdünnt der Regen gnädig, was ein Mann ausspuckt, der gerade auf den überdachten Raucherplatz zustapft. Am Edelstahleimer bleibt er stehen und klopft sehr behutsam die Asche von seiner Zigarette. Während man noch über diese Diskrepanz in seinem Benehmen sinniert, beginnt eine Raucherin ein Gespräch mit einer Bahn-Angestellten, die dort gerade verschnauft. Was für ein Wetter das sei - und da solle man nicht krank werden? Furchtbar, pflichtet ihr die Bahn-Mitarbeiterin bei. Da erschüttert ein höllenhafter Husten die Raucherin. "Ich muss wieder", sagt die Schaffnerin. "Alles Gute - und gesund bleiben!" Die Hustende, gebeutelt vom Ringen um Luft, nickt zustimmend und krächzt: "Absolut! Gesundheit ist das Wichtigste!" Violetta Simon

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