Kolumne „Mitten in …“Willkommen auf der Ü-90-Party

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Marc Herold)

Beim Besuch eines Verwandten im Seniorenheim stellt eine SZ-Autorin fest, dass es hier fast zugeht wie in einer Studentenbude. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten im ... Allgäu

Ein Verwandter beschließt, dass er mit seinen mehr als 90 Jahren nicht mehr zu Hause wohnen kann, und zieht in ein Zimmer im betreuten Wohnen. Sein neues Reich, das 15-mal kleiner ist als sein großes Haus mit Garten, nennt er verschmitzt: Studentenbude. Und man sollte es nicht glauben, aber so geht’s auch ab im neuen Heim. Bei jedem Besuch hört man kleine Abenteuergeschichten. Gesellige Abende mit Kräuterlikör auf der Bude und manchmal Damenbesuch – wenn auch nicht ganz erwünscht. Eine stille alte Frau im Rollstuhl klebt dem Senior auf den Fersen und drängelt sich immer wieder durch die angelehnte Tür. Einmal im Zimmer, sucht sie die Hand des Mittneunzigers und legt sie sich auf die Wange. Und bleibt, bis er sie wieder rausrollt. Und, wie ist es so, das Leben als Umschwärmter? „Oh mei, die fahrt mir scho die ganze Zeit nach!“ Susanne Perras

(Foto: Marc Herold)

Mitten in … Carvoeiro

Es geht recht munter zu an der Praia do Carvalho in Portugal. Erst hauen Windböen Sonnenschirme um, dann landen Paddler am Ufer. Als man wieder mal aufschaut, stehen Dutzende Menschen neben dem Badetuch und halten einem ihre Handys ins Gesicht. Ach so, nur wegen der grünen Schlange, die gerade hinter uns aus dem Felsen kriecht. Dann: Tumult! Ein Polizist dreht wütende Runden auf einem Jetski und weist Jugendliche zurecht, die vom Felsen ins Wasser hüpfen. Deren Freunde weisen wiederum den Polizisten zurecht. Herrgott, kann denn nicht endlich Ruhe sein? Doch, es kann. Samtene Stille legt sich über den Strand. Kurz zumindest. Denn dann: Geschrei, Applaus. Hat jemand die Schlange getötet? Hat ein Paddler den Polizisten mit dem Sonnenschirm beworfen? Nein, nein. Auf der Klippe macht nur gerade jemand einen Heiratsantrag. Wie schön. Martin Zips

(Foto: Marc Herold)

Mitten in ... Weilheim

Kaum hat man sich in den Zug geschoben, einen Sitzplatz erkämpft und den Mantel zwischen Rücken und Sitzlehne gestopft, knarzt es in der Lautsprecheranlage der Werdenfelsbahn. Es ist kurz nach acht Uhr, harmlose fünf Minuten Verspätung. „Schönen guten Morgen“, flötet eine erstaunlich gut gelaunte Stimme durch den Zug voll montagsmuffeliger Münchenpendler. Erst verspricht die Stimme, dass der Lokführer alles daransetze, die fünf Minuten bis München hereinzuholen (was ihm tatsächlich gelingt), dann wird sie philosophisch: „Ich möchte Ihnen heute ein Zitat von Guy de Maupassant mit auf den Weg geben: Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen.“ Als die freundliche Stimme kurz darauf um die Fahrkarten bittet, mit einem Lächeln im Gesicht, da ahnt man, dass an dem Zitat vermutlich etwas Wahres ist. Karin Janker

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