Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Mitten in ...":Beuget die Arthrose-Knie!

Lesezeit: 2 min

In einem griechischen Bergdorf nimmt eine SZ-Autorin an einem Passionszug teil - bei dem ausnahmsweise mal nicht das Leiden Christi das schmerzhafteste ist. Drei Anekdoten aus Deutschland und Europa.

Mitten in ... Agios Germanos

Die Kirche in dem griechischen Bergdorf ist mit Frühlingsblumen geschmückt. Nach zwei Jahren Pandemie darf das orthodoxe Osterfest endlich wieder von der ganzen Gemeinde gefeiert werden, mitsamt allen angereisten Verwandten und Freunden. Bei der Kreuzabnahme wird eine Christusfigur auf eine Bahre gelegt. Der Pfarrer ruft nach kräftigen Männern. Es finden sich schnell vier Griechen, die sich an den vier Stangen der Bahre positionieren. "Gehen wir um die Kirche", sagt der Pfarrer. Er will die Prozession kurzhalten. Er habe Knieschmerzen, flüstern sie in der Kirche, und: "Er raucht viel." Da ruft einer aus der Menge vor dem Altar: "Durchs ganze Dorf!" Dann andere: "Ja, das ganze Dorf." Die Demokratie siegt. Es geht aus der Kirche raus, hügelaufwärts und abwärts. Der Pfarrer im vollen Ornat hinkt. Seine Passion. Christiane Schlötzer

Mitten in ... Garachico

Unendliche Kurven später sind wir von der Mondlandschaft des Teide wieder im Norden von Teneriffa gelandet, der Hunger ist groß. Gute Küche, entspannte Atmosphäre: So wird uns ein Lokal in Garachico empfohlen. Und entspannt geht es tatsächlich los, denn der Kellner muss erst mal selbst essen und vor allem trinken. Die ersten Gäste, die keine Lust mehr aufs Warten haben, gehen. Als sich der Mann mit der runden Körpermitte gestärkt fühlt für den Abend, sucht er eines seiner Lieblingslieder auf dem Handy, legt es dudelnd auf unseren Tisch und verschwindet. Als er schließlich nach Ewigkeiten mit unseren Getränken kommt, fällt das Gespräch auf das Thema Mütter - und plötzlich fängt der Mittfünfziger an zu weinen. Er liebe seine Mama so sehr, seine Stimme zittert, wir befürchten das Schlimmste. Schon weit über 80 sei sie, sagt er, "es geht ihr blendend". Julia Rothhaas

Mitten in ... Hamburg

Hamburg im Regen, in einem Café sitzt ein älteres Ehepaar am Fenster. Der Mann hat was von Käpt'n Iglo, weißer Bart, nordischer Schnack. Aber - kurzer Kontrollblick - was ist das? Ja, doch, er hat einen glitzernden Haarreif auf dem Kopf. Obendrauf handgeklebt: eine goldene 50. Herzlichen Glückwunsch, sagt man, aber nein, korrigiert Käpt'n Iglo, nix Geburtstag. "Wir feiern heute unsere goldene Hochzeit." Und die Haarreife? Die habe er gebastelt, für seine Frau. Kleiner Insider. Auf ihrer Hochzeit hatten sie Haarreife mit Mäuseohren auf. Frage an die beiden: Wie schafft man es, die Liebe in diesen beschissenen Zeiten nicht zu vergessen? "Man muss viel gemeinsam unternehmen", sagt Käpt'n Iglo, "mit dem E-Bike an den Strand fahren oder Enten füttern in Entenwerder. Das Schlechte kommt doch von ganz allein." Elisa Schwarz

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